In der Zuständigkeit des Krankenhausbürgermeisters: das Klinikum Stuttgart. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth - Lichtgut/Achim Zweygarth

Fraktionen glauben Wölfles Erinnerungslücke nicht – Kuhn findet disziplinarische Selbstanzeige sinnvoll

StuttgartBei der Aufklärung des Skandals um die Auslandsabteilung des städtischen Klinikums macht ein SMS-Verkehr zwischen dem früheren Krankenhausbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) und dem ehemaligen Leiter dieser Abteilung, Andreas Braun, Wirbel. Bis dieser bekannt wurde, hatte die Verwaltung erklärt, der jetzige Sozialbürgermeister habe keine Kenntnis von der Tragweite eines Beratergeschäfts des Klinikums mit Kuwait im Umfang von 46 Millionen Euro gehabt, das bei Ermittlungen der Staatsanwaltschaft unter anderem wegen Untreue, Betrugs und Bestechung im Fokus steht. Der SMS-Verkehr aber legt nahe, dass Wölfle kurz vor Abschluss des Vertrags im Februar 2014 selbst für dessen Zustandekommen aktiv geworden war. Da auch OB Fritz Kuhn (Grüne) vorgeworfen wurde, durch Antworten der Verwaltung zur Verbreitung von Unwahrheiten beigetragen zu haben, hat Kuhn von Wölfle eine dienstliche Erklärung verlangt.

Der hat in einem am Mittwoch im Verwaltungsausschuss vorgelegten Text erklärt, ihm sei die SMS-Korrespondenz „nicht mehr in Erinnerung“. Der Antwort auf eine Ratsanfrage im März 2017, dass er als Bürgermeister über den Vertrag nicht informiert worden sei, habe er damals „nicht widersprochen“. Weiter heißt es: „In der Rückschau und mit dem heutigen Wissensstand bedauere ich diese fehlende Erinnerung und die daraus entstandene, nicht präzise Aussage zutiefst.“

OB Kuhn räumte ein, dass diese mangelnde Erinnerung „unbefriedigend“ sei. Insofern sei es zu Wölfles „Selbstschutz und Selbstreinigung“ sinnvoll, dass er beim Regierungspräsidium ein Disziplinarverfahren beantragt habe. Zum Zeitpunkt der Antwort an den Rat habe man den besagten SMS-Verkehr jedenfalls nicht vorliegen gehabt, dieser sei erst später im Rahmen eines Arbeitsgerichtsverfahrens aufgetaucht. „Sehr weit hergeholt“ sei die Interpretation einer E-Mail des Korruptionsbeauftragten der Stadt. Der hatte davor gewarnt zu erklären, Wölfle habe von dem Vertrag nichts gewusst. Er habe sich auf eine frühe Information Wölfles von 2011 bezogen, als dieser erst zwei Wochen im Amt gewesen und das Kuwaitprojekt noch in einem sehr frühen Stadium gewesen sei.

Wölfles Erinnerungslücke halten die Fraktionen offenbar für eine vorgeschobene Schutzbehauptung. Der Fraktionschef der CDU, Alexander Kotz, begrüßte, dass Werner Wölfle entschieden habe, nach dem Ende seiner Amtszeit im Sommer nicht mehr zu kandidieren. Gleiches gelte für die „disziplinarische Selbstanzeige“. Aber seine Erinnerungslücke zum SMS-Verkehr komme ihm vor „wie in einem schlechten Krimi“. Kotz: „Das wirkt wie der letzte Ausweg, wenn einem nichts anderes mehr hilft.“ Er könne sich das bei der Tragweite des Geschäfts „nicht vorstellen“. Die „Indizien“ sprächen dafür, dass Wölfle für das Kuwait-Geschäft aktiv geworden sei. Der Fraktionschef der Grünen, Andreas Winter, hat „Respekt“ vor der Entscheidung Wölfles, er plädierte für die Aufarbeitung der Abläufe.

Körner fordert Rücktritt

Die anderen Fraktionen waren wie Alexander Kotz weit kritischer. „Ich kann das nicht glauben“, sagte SPD-Fraktionschef Martin Körner, dass sich Wölfle angesichts des damaligen Millionendefizits und einem lockenden Gewinn von fünf Millionen Euro an die Vorgänge nicht erinnern könne. Körner sagte, er werfe Kuhn nicht vor, „dass er gelogen hat“, erhob diesen Vorwurf aber indirekt gegen Wölfle. Auch bei der Entscheidung, sich vom früheren Klinikgeschäftsführer Ralf-Michael Schmitz durch die Zahlung einer hohen Abfindung zu trennen, sei der Rat von Wölfle „getäuscht“ worden. Körner forderte den heutigen Sozialbürgermeister erneut zum Rücktritt auf.

Thomas Adler von SÖS/Linke-plus warf der Verwaltung vor, Aufklärung in der Sache nur in „Salamischeibchen“ zu machen. Zumal die bisherigen Anfragen der Fraktionen offenkundig „vom Delinquenten beantwortet worden sind“. Wölfles Erinnerungslücken bezeichnete Adler als „Flucht in die Amnesie“, die völlig unglaubwürdig sei. Wölfles Selbstantrag auf ein Disziplinarverfahren „repariert den Schaden nicht“. Ähnlich äußerten sich auch die Freien Wähler und die FDP, ohne direkt den Rücktritt Wölfles zu fordern. Bernd Klingler, der mit Heinrich Fiechtner (beide BZS 23, vorher AfD) den SMS-Verkehr öffentlich gemacht hatte, erklärte, Wölfles Selbstanzeige sei ein „Taschenspielertrick“, der es ihm ermögliche, Zeit zu gewinnen und bis zum Ende der Amtsperiode im August durchzuhalten, um sich so die Altersbezüge zu sichern.

Die Fraktionen beklagten einen Vertrauensverlust gegenüber Werner Wölfle. Rose von Stein (Freie Wähler) fragt sich, wie „noch ein konstruktives Miteinander“ möglich sein soll, nicht zuletzt nach den „Unterstützerbriefen“ von Amtsleitern des Sozialreferats zugunsten Wölfles. Kuhn hingegen glaubt, dass Wölfle seine Arbeit im Sozialreferat „gut macht“.