Die Musik braucht mehr Platz in Stuttgart. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko - Lichtgut/Max Kovalenko

Nach dem neuen Konzerthaus-Vorstoß von OB Fritz Kuhn macht Veranstalter Michael Russ „Mut zur Innenstadt“

StuttgartHat er aus seiner Sicht gute Nachrichten zu verkünden, sagt der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) am scheinbaren Schluss seiner Ausführungen gerne noch den Satz „Ich möchte Sie noch auf eines hinweisen“. Dies war jüngst nicht anders, als Kuhn mögliche Standorte für eine Spielstätte vorstellte, in der Staatsoper und das Stuttgarter Ballett samt Werkstätten während einer mehrjährigen Sanierung des Opernhauses und der Erweiterung des Staatstheater-Areals in Stuttgart unterkommen könnten. Wie berichtet plädiert Kuhn für eine Interimslösung auf einem an das Gelände der Wagenhallen angrenzenden künftigen Wohnbau-Areal der Entwicklungsflächen des Verkehrs- und Städtebauprojektes Stuttgart 21. Auch und gerade weil dort Spielstätte und Werkstätten untergebracht werden können. Kuhns Hinweis? Galt zwei von 17 für das mögliche Staatstheater-Interim untersuchten Flächen: den Flächen der Fernsehstudios bei der Villa Berg sowie einem Areal an der Ecke Holzgartenstraße gegenüber dem Linden-Museum. Das Urteil der nach der Ablehnung des Standortes Ehemannstraße/Paketpostamt gegründeten „Task-Force Oper Stuttgart“: Beide Standorte sind für das Staatstheater-Interim nicht geeignet. Jedoch: „Wir sehen hier Möglichkeiten, diese beiden Standorte mit Blick auf ein mögliches Konzerthaus näher zu untersuchen.“ Fritz Kuhn sagt es, lächelt ganz leicht und weiß – die Bälle Staatstheater-Standort und Konzerthaus-Thema sind wieder im Spiel.

Gesprächsbedarf angemeldet

Diskutiert wird aktuell vor allem die Frage des Staatstheater-Interims. Der Kunstverein Wagenhalle hat Gesprächsbedarf angemeldet, und während die einen bereits von der Allianz zwischen Staatstheater-Hochkultur und der Wagenhallen-Szene schwärmen, fürchten die anderen einen Verdrängungswettbewerb. Was aber ist mit dem Thema Konzerthaus? Hatte nicht OB Kuhn jüngst für einen Neubau auf dem Stuttgart-21-Areal am Hauptbahnhof plädiert? Eine Idee, die sein Vorgänger Wolfgang Schuster unter dem Stichwort „Philharmonie“ und in Verbindung mit einem Neubau für das Linden-Museum als „Brückenbau“ zwischen Hauptbahnhof und Stadterweiterung forciert hatte. Hier weckt vor allem der Blick der „Task- Force Oper Stuttgart“ auf die Fläche an der Holzgartenstraße Interesse. „Das ist ein spannender Standort“, sagt Michael Russ. Der Geschäftsführer des Konzertveranstalters SKS Russ fordert schon lange einen Konzerthaus-Neubau. „Die Säle im Kongress- und Kulturzentrum Liederhalle sind einfach völlig überlastet“, sagt Russ – und nimmt das Stichwort gleich auf. „Interessant ist an der Holzgartenstraße natürlich die Nähe zur Liederhalle“, sagt Russ unserer Zeitung. Er fügt hinzu: „Jeder Meter, der uns in dieser Debatte noch näher an das Kongress- und Kulturzentrum heranbringt, ist gut.“ Auf dem Weg: das denkmalgeschützte Max-Kade-Wohnhaus für Studenten und die sanierungsbedürftige Mensa der Universität. Die von der Task-Force ermittelte Distanz zu Stationen des öffentlichen Nahverkehrs von 300 Metern hält Russ für „unproblematisch“. „Das“, sagt der für Auftritte von Klassik-Stars wie Anne-Sophie Mutter verantwortliche Konzertveranstalter, „müsste man sich genauer anschauen.“

Russ’ Position ähnelt dem Beifall der Staatstheater-Lenker für das Wagenhallen-Areal: „Für die Wettbewerbsfähigkeit der Konzertstadt Stuttgart wäre die unmittelbare Nähe von Liederhalle und neuem Konzerthaus ideal.“ Die Botschaft: Eine Konzentration der Bühnen beziehungsweise der Säle bindet das Publikum und schafft Möglichkeiten für deutlich mehr Vermittlungs- und Serviceangebote.

OB Kuhn: Liederhalle allein reicht nicht aus

Stuttgarts OB Kuhn betonte am Montag noch einmal die Bedeutung des Themas: „Ich bin der festen Überzeugung“, sagte Kuhn unserer Zeitung, „dass die Musikstadt Stuttgart mit ihren herausragenden Orchestern und Dirigenten ein neues Konzerthaus braucht.“ Die Liederhalle, so der OB, „reicht allein nicht aus“.

Ob Holzgartenstraße oder Villa-Berg-Areal – an beiden Standorten ließe sich das Konzerthaus-Projekt weit eher realisieren als auf Stuttgart-21-Entwicklungsflächen. Umso mehr verwundert mit Blick auf die räumlichen Nöte des SWR-Symphonieorchesters und die mit dem neuen Chefdirigenten Teodor Currentzis verbundenen internatonalen künstlerischen Ansprüche das Schweigen des Südwestrundfunks auf Kuhns Hinweise.