Wolfgang Schorlau mit Co-Autor Claudio Caiolo und Moderator Karl-Albrecht Immel (von links) beim LesART-Werkstattgespräch . Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Wolfgang Schorlau stellte mit Co-Autor Claudio Caiolo im Werkstattgespräch von LesART seinen neuen Krimi vor. „Der freie Hund“ soll im Frühjahr erscheinen und führt die Figur des sizilianischen Commissario Antonio Morello nach Venedig.

EsslingenDer Stuttgarter Autor Wolfgang Schorlau ist bekannt für seine Kriminalromane mit politischem Anspruch. Akribisch recherchiert und rasant auf die Spitze getrieben, schickt er seinen Privatermittler Georg Dengler in den Morast des Verbrechens. Gerne nimmt er dabei die Schwachstellen der Gesellschaft in den Blick. Vom Attentat auf das Münchner Oktoberfest über die finsteren Machenschaften der Pharmaindustrie bis hin zu den Verwicklungen der Geheimdienste in die Taten des NSU bohrt Dengler dort nach, wo ein Mantel des Schweigens über den Tatsachen liegt. Jetzt ist Schorlau auf neuen Pfaden unterwegs. Gemeinsam mit seinem Co-Autor Claudio Caiolo bringt er im Frühjahr nächsten Jahres unter dem Titel „Der freie Hund“ (Kiepenheuer & Witsch, 16 Euro) eine Reihe an den Start, die den sizilianischen Commissario Antonio Morello nach Venedig führt. Schorlau war schon oft bei der LesART zu Gast und hat in Esslingen eine stabile Fanbasis.

Zusammen mit Caiolo gab er am letzten Freitag bei einem restlos ausverkauften Werkstattgespräch im Kaisersaal des Amtsgerichts launige Einblicke in ihre Zusammenarbeit. Kundig moderiert wurde der Abend von dem Journalisten Karl-Albrecht Immel. Wolfgang Schorlau schickt seinen Georg Dengler keineswegs aufs Altenteil. „2020 wird ein unglaublich spannender neuer Dengler erscheinen“, stellte der Autor zu Beginn klar. Schorlau wäre nicht Schorlau, wenn er beim „Freien Hund“ auf politische Verwicklungen verzichten würde. Ebenso wie Claudio Caiolo stammt die Figur des Antonio Morello aus Sizilien. Weil der Commissario dort einige korrupte Politiker verhaften ließ, steht er auf der Todesliste der Mafia. Um seinen Schutz zu garantieren, versetzt ihn sein Chef ins ungeliebte Venedig, was für Morello lebenslanger Verbannung gleichkommt.

Schwimmende Wolkenkratzer

Als dort der junge Anführer einer Bürgerinitiative gegen die Kreuzfahrtschiffe ermordet wird, ist „Der freie Hund“ in seinem Element. Der Fall verspricht ebenso lehrreiche wie unterhaltsame Lesestunden und könnte Donna Leons Platzhirsch Commissario Brunetti durchaus Konkurrenz machen. „Ja, von dem habe ich schon mal gehört“, sagte Schorlau augenzwinkernd. Mitautor Caiolo vermittelt viel italienisches Lebensgefühl und kennt die Aktivitäten der Mafia auf Sizilien aus erster Hand: Ein Mafiapate spendierte seiner Mutter gegen die Wählerstimme ihres ältesten Sohnes ein Paar Kinderschuhe für den kleinen Claudio. Schorlau und Caiolo sind seit rund 20 Jahren befreundet und ergänzen einander perfekt. „Dieses Buch war nur zu zweit machbar“, sagte Schorlau. „Es läuft alles über Vertrauen“, charakterisiert Caiolo ihre Zusammenarbeit. Anschaulich schilderte er, wie er morgens, die erste Tasse Kaffee in der Hand, von Berlin aus via Skype mit dem Stuttgarter Schorlau konferierte. „Die Technologie hilft heute sehr“, sagte er mit charmantem italienischem Akzent. Während Schorlau die Handlung konzipierte, war Caiolo für die Entwicklung der Hauptfigur verantwortlich. Caiolo, der in Deutschland unter anderem als Theaterautor und Schauspieler bekannt ist, spukte die Figur des Morello seit vielen Jahren im Kopf herum. Als Schauspielstudent lebte er jahrelang in der Lagunenstadt und kennt das Venedig der kleinen Leute aus erster Hand.

Dort findet Morello seine zweite Heimat. Er wird mit einer Stadt konfrontiert, die im Begriff steht, als Touristenpark auszubluten. 20 bis 30 000 Menschen besuchen Venedig Tag für Tag. Eindringlich schilderte Schorlau die Kreuzfahrtschiffe, die sich wie „schwimmende Wolkenkratzer“ in den Canale Grande drängen und unabsehbaren Schaden anrichten. Wegen der Ausbaggerung der Lagune sei das jüngste Hochwasser menschengemacht. So ist es kein Wunder, dass die Machenschaften, die Morello aufzuklären versucht, ihn tief in die Verflechtungen zwischen Politik und Verbrechen führen. „Morello lässt sich nicht blenden von der Macht“, sagte Caiolo. Er wies auf die Verankerung der Mafia im italienischen Gemeinwesen hin, die dort niemand gerne wahrhaben wolle, gerade so wie in Deutschland die Macht der Konzerne. „Jedes Land hat seinen weißen Fleck“, schloss Schorlau. Insgesamt ein spannender Abend, der Lust auf mehr macht.