Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg

Sie ist in die arktische Wildnis gereist und über den großen Teich geflogen. Christiane Grefe hat aber weder einen Abenteuerroman, noch einen Reiseführer geschrieben. Die Journalistin ist dem Pfad der Bioökonomie gefolgt. Für ihr Buch „Global Gardening. Bioökonomie - Neuer Raubbau oder Wirtschaftsform der Zukunft?“ (Kunstmann Verlag, 22,95 Euro), das sie am Donnerstagabend beim Esslinger Literaturfestival LesArt vorstellte, hat sie sowohl Startup- Unternehmen als auch die ganz Großen der Branche besucht. Die Reporterin hat Wissenschaftlern über die Schulter geschaut sowie mit Landwirten, Technikern und Politikern gesprochen.

Was sie gesehen und gehört hat, schildert die Autorin in ihrem gut 300 Seiten starken Buch anschaulich und verständlich. So nimmt Christiane Grefe die Leser mit auf eine spannende Reise in die Zukunft unserer Industrie und Landwirtschaft sowie unseres Planeten, auf dem es gilt, immer mehr Menschen mit gesunder Nahrung zu versorgen, zugleich aber Ressourcen zu sparen.

Es geht um mehr Geld

Cleverer als die Natur zu sein, ist die Devise. „Dafür nimmt man auch das latent ungute Gefühl in Kauf, das mit der Gentechnik verbunden ist.“ Ihr persönlich liegt der Gedanke, „dass weniger mehr ist, am Herzen“, sagte Christiane Grefe im Gespräch mit EZ-Redakteur Oliver Stortz, der den Abend im voll besetzten Kutschersaal der Stadtbücherei moderierte. Von der Wachstumskritik der 1980er-Jahre sei jedoch wenig übrig geblieben. „In der Branche geht es eher darum, dass mehr mehr ist. Und um mehr Geld geht es in der Green Economy auf jeden Fall.“

So hängt sich inzwischen selbst der Saatgutriese Monsanto ein grünes Mäntelchen um. Angesichts der Probleme, die es mit gentechnisch verändertem Saatgut gibt, „ist auch Monsanto klar geworden, dass die bisher propagierte Intensiv-Landwirtschaft auf lange Sicht nicht mehr funktionieren wird“. Da die Weltkonzerne aber auch in Zukunft die Weltmärkte beliefern wollen, werden Allianzen und Fusionen mit Unternehmen aus dem Bereich der Bioökonomie geschmiedet, zu der auch die Präzisionslandwirtschaft gehört. So erforschen und entwickeln etwa die Hersteller von Landmaschinen neue Geräte, mit denen sich quadratzentimetergenau die Eigenschaften des Ackerbodens erfassen lassen.

„Da werden ganze Pakete für die Landwirtschaft geschnürt, um die Natur effizienter, aber auch rücksichtsvoller zu bewirtschaften.“ Von derartigen Entwicklungen könne natürlich auch der traditionelle Bioanbau etwas haben, verdeutlichte die Autorin. „Wenn man zum Beispiel kleine Roboter zum Unkrautzupfen einsetzt, würde der Öko-Landbau profitieren.“

Gefährliche Macht-Konzentration

Die durch Fusionen entstehende Markt-Macht-Konzentration hält Christiane Grefe aber für „sehr bedenklich“. Ist nämlich alles in einer Hand, „besteht die Gefahr, dass die Landwirte in noch größere Abhängigkeiten geraten“. Das habe nicht zuletzt für die Bauern in den Ländern der sogenannten Dritten Welt fatale Folgen.

Ob sich denn die Wissenschaftler ihrer Verantwortung bewusst sind, wollte Oliver Stortz von der Journalistin wissen. Natürlich seien die Forscher von Neuem fasziniert. „Sie wollen die Probleme wirklich lösen und sind weder vom Geldrausch noch vom Erfolgsrausch geleitet“, erklärte Christiane Grefe. Ihr Hauptkritikpunkt an der Gentechnik ist, „dass da so viel mehr Geld hineinfließt als in agrarökologische Systeme und die Beratung von Bauern sowie die Verbesserung der Infrastruktur in den Entwicklungsländern“. Denn Forschung heiße auch, Alternativen für den afrikanischen Kleinbauern zu entwickeln.

Und die Politik? „Kann die nur noch hinterregieren“, fragte der Moderator. Die Gefahr, dass die Konzerne durch ihre Marktmacht auch politisch Druck ausüben, bestehe durchaus. Ob sie damit Erfolg haben, hänge aber nicht nur von den Politikern ab. „Jeder Einzelne von uns kann sehr wohl Gewichte verschieben, indem wir uns politisch engagieren und anders konsumieren“, erklärte Christiane Grefe. Auch in den USA wachse der Druck der Verbraucher. Und das haben inzwischen wohl auch Monsanto sowie andere Großkonzerne begriffen.