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Eigentlich besteht Uwe-Michael Gutzschhahns Gedicht „Sonnenstich“ nur aus zwei Zeilen – doch er macht daraus etwas Lustiges und erntet bei seinen Auftritten im Rahmen der LesART lang anhaltenden Applaus.

EsslingenEigentlich besteht Uwe-Michael Gutzschhahns Gedicht „Sonnenstich“ nur aus zwei Zeilen: „Am Baggersee auf der Liegewiese liegen Badenixen in der Sommerbrise“. Nachdem der Dichter die freilich einmal so richtig durchgenudelt hat, entsteht daraus überaus Köstliches wie „Am Laggerwee auf der Biegeliese biegen Nadesixen in der Brommersise.“ Bei seinen Auftritten im Rahmen der LesART erntete Gutzschhahn dafür lang anhaltenden Applaus. Dabei sei er doch nur ein „bekloppt-komischer“ Dichter mit einem ungewöhnlichen Nachnamen. „Nein, ich heiß‘ nicht ‚Gutschein‘, und ich bin auch keiner“, flachste er: „Meine Großeltern stammen aus Sachsen, da bedeutet ‚kutsch‘ oder sächsisch eben ‚gutzsch die Pferde an‘, den Wagen zu den Pferden zu bringen und die Kutsche klar zu machen.“

Uwe-Michael Gutzschhahn ist Experte in Sachen Kinder- und Jugendliteratur. Er war Programmleiter in Verlagen, hat Erzähltext- und Gedichtanthologien herausgegeben, hat selbst Romane, Erzählungen und Gedichte verfasst, und er ist ein beeindruckender Rezitator. Darüber hinaus hat er auf der Frankfurter Buchmesse in diesem Jahr den Sonderpreis zum Deutschen Jugendliteraturpreis für sein Lebenswerk als begnadeter Übersetzer aus dem Englischen erhalten. Für seine Kurzreime, Gedichte und literarischen Schöpfungen nützt er die Sprache wie eine Spielwiese, auf der alles erlaubt ist. Lustvoll stellt er Wörter auf den Kopf, vertauscht Buchstaben und verschiebt Laute. Sprache wird verdreht, übereinander gestapelt, dann wieder umgeworfen – wie Bauklötzchen. Mal arbeitet er mit einem klaren Reimschema, mal mit lautmalenden Wortkompositionen, mal lockt er mit dem immer gleichen Anfangsbuchstaben, dann setzt er auf Doppeldeutiges oder Wortneuschöpfungen oder wühlt sich verspielt durch Kauderwelsch und Sprachwirrwarr. Dabei lotet er die unendlichen Weiten der Sprache aus und dehnt die formalen Grenzen bis zum Gehtnichtmehr. Das muss nicht immer und unbedingt einen Sinn haben, das darf manchmal auch einfach nur ganz viel Spaß machen.

Ganz nebenbei erklärte er den Esslinger Kindern an seinem Gedicht „Besuch“ aus seinem Buch „Die Muße der Mäuse“ (Elif-Verlag, 16 Euro), wie er als Dichter arbeitet: „Abends wenn ich müde werd‘, kommt zu mir ein weißes Pferd“, heißt es da zu Beginn. Mit dieser ersten Zeile begann es, und er hatte keine andere Wahl: „Jetzt steht das Pferd da, dann muss ich es auch hereinlassen in mein Zimmer.“ Das einzige dort, was ein Pferd brauchen kann, ist freilich ein Ball. Auf den setzt sich das Tier, wird hoch in die Luft gekickt und gibt einen funkelnden, weithin sichtbaren Kometen mit einem langen (Pferde-)Schweif. „Aber das kann man doch nicht machen“, gab ein Mädchen im Publikum zu bedenken, um gleich darauf strahlend zu ergänzen: „Aber das kann man sich ausdenken, oder das kann man träumen.“

So wie in Gutzschhahns „Igitt-Igitt-Gedicht“ über Tantchens Gebäckdose, in der sich Kakerlak und Kakerlakin niedergelassen haben, oder in der gereimten Geschichte über einen Vampir beim Kieferorthopäden. Oder in den Zeilen über das Rindvieh, das gerne auf einem Bein steht und lieber ein Flamingo wäre. Oder in der Geschichte der Tierfamilie, die sich auf Gäste vorbereitet: „Der Igel schaut noch in den Spiegel, die Ratte zupft an der Krawatte, der Floh rennt noch schnell aufs Klo“.

Es ist Uwe-Michael Gutzschhahns große Kunst, dass er die Gedichte und die Sprache lebendig und erlebbar werden lässt. Er weckt die Lust am Reimen und fördert die Freude daran, die starren Sprachregeln kreativ und subversiv zu brechen. Er animiert die Kinder zum Mitmachen, zum Nachmachen und zum Nachdenken. Er ermuntert sie, mit Sprache zu spielen, Laute, Klänge und Wörter zum Klingen zu bringen. Und plötzlich sind sie der Sprache ganz nah. Er sorgt für Staunen, macht neugierig und setzt Ideen und Bilder frei – und seien sie auch noch so absurd-komisch, fantastisch und verfremdet. „Man kann sich ganz vieles vorstellen. In der Fantasie ist ganz vieles möglich. Das Schöne ist, dass die Sprache sich nicht dagegen wehrt“, betonte er lachend.