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Helena Paz Garro, Tochter zweier prominenter Schriftsteller, hatte kein erfülltes Leben, weil sie nie die verdiente Zuwendung bekam. Elsa M. Schwarz Gasque hat ihre Geschichte recherchiert.

EsslingenViele hätten sie um ihre prominenten Eltern beneidet: Helena Paz Garro war die Tochter des Literatur-Nobelpreisträgers Octavio Paz und der renommierten mexikanischen Schriftstellerin Elena Garro. Doch Helenas Leben war nicht von Zuwendung, Inspiration und Freude geprägt, sondern von Geringschätzung und Missachtung durch die eigenen Eltern, die keine anderen Götter neben sich duldeten. Und die auch nicht einschritten, als die kleine Helena von einem Onkel missbraucht wurde. Trost und Kraft fand sie im Briefwechsel mit dem deutschen Autor Ernst Jünger, den sie verehrte. Elsa M. Schwarz Gasque erzählt in ihrem demnächst erscheinenden Buch „Helena. Einsamkeit im Labyrinth“ die Geschichte einer Frau, deren Herkunft zur (allzu) schweren Bürde wurde und der es nie gelungen ist, aus dem Schatten ihrer Eltern zu treten. Dass ihre Geschichte nun erzählt werden kann und dass Elsa Schwarz’ Buch sogar in Helenas Heimat erscheinen wird, ist bemerkenswert genug. Immerhin wird Octavio Paz dort als einer der Nationalheroen verehrt – und an Denkmälern will man nicht kratzen.

Eigentlich wollte Elsa M. Schwarz Gasque ein Buch über Elena Garro schreiben. „Es war für mich überraschend, dass eine Schriftstellerin dieser Größe in Mexiko so wenig im öffentlichen Bewusstsein präsent war“, erinnerte sich die Autorin, als sie bei der LesART Einblick in ihr Manuskript gewährte. Während der Recherchen wollte Schwarz Gasque die Erinnerungen der Tochter eigentlich nur zur Abrundung studieren. Als sie feststellte, dass dieses Werk in Mexiko nicht zu bekommen war, war ihr Interesse geweckt: „Das literarische Schaffen von Helena Paz offenbart ihre intimen Konflikte als Tochter, als Person und als Schriftstellerin sowie die Suche nach Anerkennung in der Gesellschaft. In einer Gesellschaft, in der für sie ein Schicksal bestimmt war, das nicht leicht anzunehmen war, weil ihre Eltern, obwohl sie zwei brillante Menschen waren, keine geeignete Umgebung für die psychische und emotionale Entwicklung ihrer einzigen Tochter bereitzustellen wussten.“

Es waren Sätze wie dieser, die Elsa M. Schwarz bewogen haben, sich mehr mit Helena Paz Garro zu beschäftigen: „In jener Einsamkeit wird unsere Seele von einer dunklen Angst gepackt und die Nacht wandelt sich in eine ewige Kreuzigung; und der Tag, mit seiner unerbittlichen Sonne, in eine noch schlimmere Qual des Aufgebens und der Verachtungen, und der Erniedrigungen durch gleichgültige oder feindliche Wesen.“ Einziger Lichtblick war der Briefwechsel mit Ernst Jünger, einem der bekanntesten und zugleich umstrittensten deutschen Autoren, den sie ihren „Ritter mit kristallblauen Augen“ nennt.

Die Lektüre seiner Werke half ihr immer wieder über ihre Depressionen hinweg. Da Ernst Jünger ihren Vater kannte, suchte sie schließlich den Kontakt zu ihm. Daraus ist eine jahrzehntelange Brieffreundschaft entstanden, die Helena jenen Halt gab, den ihr die eigenen Eltern stets versagten. Der eine Teil der Korrespondenz ist im Marbacher Literaturarchiv zugänglich – der andere lag bislang unerschlossen in einem privaten Fundus. Elsa M. Schwarz Gasque war die erste, die ihn auswerten durfte. Was sie fand, erwies sich als kulturhistorischer Schatz, auch wenn Helena den Austausch intensiver betrieb als Jünger. Ihm genügte oft nur ein kurzer Satz, der jedoch die Tür zu einem ganzen Gedankenuniversum öffnen konnte – zum Beispiel jener: „Die Schmetterlinge sind viel stärker als die Dämonen.“ Wer Helenas Leben studiert, mag erahnen, wie sehr solche Worte für die gebeutelte Frau zum (Über-)Lebenselixier wurden.