Von Alexander Maier

Als „Hauptwerk und Summe seiner bisherigen Arbeiten“ hat ein Rezensent Arnold Stadlers neuen Roman „Rauschzeit“ bezeichnet. Das hört man in Esslingen gern, wo der renommierte Autor nicht zum ersten Mal zu Gast ist. Stadler gehört zu den herausragenden Vertretern der deutschsprachigen Literatur, diverse Auszeichnungen dokumentieren seine Finesse: 1999 erhielt er den Büchner-Preis, 2009 den Kleist-Preis, 2010 den Johann-Peter-Hebel-Preis. Und viele hatten erwartet, dass ihm sein jüngster Roman den Deutschen Buchpreis einbringen würde.

Mit „Rauschzeit“ (S. Fischer Verlag, 26 Euro) stellt Stadler einmal mehr seine Gabe unter Beweis, die ganze Bandbreite der menschlichen Gefühle auszuloten. Nur wenige verstehen es so brillant wie der aus Messkirch stammende Autor, über Liebe, Lust und Leidenschaft, über Glück und Traurigkeit und über das Wissen um die Endlichkeit unseres Daseins zu schreiben.

Stadlers neuer Roman macht uns mit Mausi und Alain bekannt. Sie sind um die vierzig, und beide verstehen sich als versierte Übersetzer auf den Umgang mit Sprache. Die Rauschzeit ihrer Studentenjahre liegt lange hinter ihnen, die Erinnerung an einen Sommer der Liebe und Freiheit, den sie mit ihren damaligen Freunden in den 80ern erlebt hatten, verblasst. Mittlerweile sehen sich beide in einer „vegetarischen Zeit“ angelangt - fleischliche Leidenschaft überlassen sie bereitwillig anderen. Doch dann ereilt Mausi und Alain im Sommer 2004 die Nachricht vom Tod ihrer alten Freundin Elfi, die uns der Autor als lebenslustige und sterbenstraurige Frau vorstellt. Die beiden hatten ihre Freundin stets um ihren entspannten Umgang mit der Sexualität beneidet. Und ihr Tod weckt in Mausi und Alain alte Sehnsüchte. Die beiden Protagonisten lassen Erinnerungen wach werden, Liebes- und Lebenslügen zeigen sich, und am Ende hat man nicht nur Mausi und Alain ein bisschen besser kennengelernt, sondern auch sich selbst.