Alexander Maier, Carlo Rizzo, Bettina Langenheim, Heinz Breuker, Frank Kroll, Patrick Bebelaar, Gudrun Fuchs, Christine Lehmann, Andreas Roos, Renate Luxemburger und OB Jürgen Zieger (von links) freuen sich über ein gelungenes Literaturfest. Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Die 25. LesART ist zu Ende. Neben den Autoren Christine Lehmann, Andreas Roos und Heinz Breuker setzten die Musiker Patrick Bebelaar, Frank Kroll und Carlo Rizzo Akzente.

EsslingenNach beinahe vier Wochen mit rund 40 Lesungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, nach betörenden, berührenden, manchmal auch irritierenden Begegnungen mit zeitgenössischen Autorinnen und Autoren und inspirierenden Gesprächen am Rande der Veranstaltungen markiert das Literaturfest jedes Jahr den Abschluss der LesART. Dieser musikalisch-literarische Abend im stets ausverkauften Jazzkeller versüßt den Fans das Ende eines Festivals, um das viele Städte Esslingen beneiden. Dabei darf das Publikum stets auch ein bisschen seine Treue, sein Interesse, seine Neugier und seinen Mut feiern. Mit viel Applaus stimmten die Zuhörer denn auch dem Moderatoren-Duo Gudrun Fuchs und Alexander Maier zu: „Wir brauchen in unserer heutigen Welt viel mehr LesART.“

OB Jürgen Zieger zeigte sich beeindruckt vom Publikum, „ohne das diese besondere Atmosphäre der LesART nicht entstehen könnte. Das Feedback aus dem Auditorium trägt dazu bei, dass der Funke zu den Autoren überspringt.“ Bleibenden Eindruck habe diesmal der Blogger Sascha Lobo bei ihm hinterlassen: „Sehr kritisch reflektierend. Probleme sehr präzise beschreibend. Ohne Ausschweifungen klar Stellung beziehend, ohne andere zu verunglimpfen.“ Der OB betonte in seinem pointierten Dialog mit Alexander Maier, dass die LesART, die von der Stadtbücherei und der Eßlinger Zeitung gemeinsam veranstaltet und durch die Stiftung der Kreissparkasse unterstützt wird, die Diskussionskultur in der Stadt nachhaltig zum Positiven beeinflussen kann: „Das ist Humus für gesellschaftliche Debatten, um differenzierter zu argumentieren, um Gedanken hinauszutragen in die Familie, zu Freunden, zu Arbeitskollegen und in die Vereine.“ Und er schreibt der LesART eine gesellschaftsbildende und zugleich aufklärende Funktion zu: „Man muss sich den Fragen stellen in einer Zeit, in der es immer schwieriger wird, einfache Antworten auf komplizierte Fragen zu finden.“

Andreas Roos, der erste der drei schreibenden Gäste beim Literaturfest, macht sich seit vielen Jahren stark für Poesie. Er belebt leer stehende Geschäfte mit Kunst und Kultur, schafft mit Rosens Lyrik-Salon eine Bühne für Dichter, regt in Workshops zum Schreiben an und lädt zu Lyrik-Blind-Dates ein. Dass in seinem Beruf als technischer Redakteur Texte kurz und prägnant sein müssen, habe auf seine Lyrik abgefärbt: „Ich kann die Länge nicht mehr ausstehen.“ Er bringt auf den Punkt, ohne scheinbar Nebensächliches links liegen zu lassen. Er formuliert explizit, ohne zu banalisieren. Das ist mal sehr persönlich – „Die Scherbe in mir gebiert Kunst“ –, mal wortspielerisch, wenn er „Klapperschlange“ auf „klappt’s nicht lange“ reimt, und mal politisch, wenn er mit Nachdruck skandiert: „Wir werden nicht tun, was Ihr uns befehlt. Keinesfalls.“

Christine Lehmann, die mit ihrem neuen Kriminalroman „Die zweite Welt“ im Gepäck nach Roos die Bühne betrat, überraschte mit dem Geständnis, dass sie als Leserin kein Fan des Genres ist: „Die meisten Krimis sind mir zu brutal. Es tut mir immer leid, wenn ich jemanden umbringen muss. Ich lasse die Figur dann gleich am Anfang sterben, dann habe ich mich noch nicht an sie gewöhnt.“ Schon zum 13. Mal lässt sie ihre Detektivin Lisa Nerz ermitteln. Am Internationalen Frauentag geht bei einem Stuttgarter Radiosender ein Anruf ein, der einen blutigen Anschlag auf die geplante Demonstration androht. Lisa hat einen halben Tag, um Schlimmstes zu verhindern. Mit Wortwitz lässt Lehmann im Frauenkulturzentrum für „Menschen mit Menstruationshintergrund“ statt Kaffee gender-korrekt „Kaffea“ servieren. Und auch wenn manche Frauen in Sachen feministischer Sprachverwandlungen übers Ziel hinausschießen mögen, so macht die Autorin deutlich: „Sprache ist die Basis von Gewalt.“

Nachdenkliche Töne schlug anschließend Heinz Breuker an: „Mit dem Älterwerden werde ich ruhiger, habe mehr Zeit und erlaube mir, Fragen zu stellen.“ Auf der Insel Elba, mit Blick auf Korsika und Capraia am Horizont, erzählt er „Mehr vom Meer“, das ihn beruhigt, das ihm aber auch die Urgewalt des Wassers deutlich macht. Und das ihn immer daran erinnert, all das nicht aus dem Blick zu verlieren, was unter der Oberfläche ist. Beim Spaziergang durchs Inseldorf dringt ein „Konzertchen“ an sein Ohr und lässt ihn nach der Quelle dieses „hauchfeinen Klanggewebes“ forschen. Breuker machte deutlich, wie erfüllend es sein kann, genau und achtsam hinzusehen und hinzuhören und sich Zeit zu nehmen, über das Leben, die Natur und den Menschen zu staunen.

Musikalisch hatten Patrick Bebelaar, Frank Kroll und Carlo Rizzo zwischendurch fulminante Auftritte – erstmals in dieser Formation. In herzerfrischender Bescheidenheit entschied Bebelaar: „Es ist genug Kluges gesagt worden, wir spielen einfach.“ Und das taten sie dann auch. Mal streng arrangiert und fokussiert, dann wie entfesselt davon tobend, bevor sie sich wieder einfanden, zärtlich und durchlässig. Bebelaar begeisterte nicht nur am Flügel, sondern auch mit seinen komplex aufgebauten Rhythmen und Harmonien und mit Sinnlich-Eingängigem wie „The River Leads to You“. Kroll, ein Meister seines Fachs, zauberte am Saxofon beseelte Klangbilder, und Carlo Rizzo, dessen Spiel mit wirbelnden Fingern und Händen auf dem Tamburin faszinierte, entließ das Publikum mit einem kalabrischen Wiegenlied in die kalte Nacht.