EZ-Chefredakteur Gerd Schneider, OB Jürgen Zieger, die Literatur-Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch, Bücherei-Leiterin Gudrun Fuchs und Oliver Kolb, Vize-Vorstandsmitglied der Kreissparkasse (von links) freuen sich über eine gelungene LesART-Eröffnung im Schauspielhaus der WLB. Foto: Rudel - Rudel

Von Alexander Maier

Die LesART ist eröffnet: Vier Wochen lang präsentieren Stadtbücherei und Eßlinger Zeitung ein facettenreiches Literaturprogramm für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. 29 Autorinnen und Autoren haben sich angesagt – bis 3. Dezember sind sie in 40 Veranstaltungen zu erleben. Und gleich zum offiziellen Literaturtage-Auftakt gab es im Schauspielhaus der WLB ein besonderes Erlebnis: Mit der weißrussischen Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch stellte sich die Literatur-Nobelpreisträgerin des vergangenen Jahres in Esslingen vor. Ihr Auftritt machte Lust auf ein Festival, in dem zeitkritische Fragen diesmal eine besondere Rolle spielen.

Heiß begehrte Eintrittskarten

Zum 22. Mal erlebt Esslingen eine LesART, und das Festival hat seinen festen Platz in der Literaturlandschaft. Autoren und Verlage wissen den qualitativen Anspruch der Literaturtage und das interessierte Publikum sehr zu schätzen. Nicht von ungefähr sind bereits sechs Veranstaltungen restlos ausverkauft – der Abend mit Sahra Wagenknecht musste wegen der großen Nachfrage aus der WLB ins Neckar Forum verlegt werden. Und auch dort werden die Tickets bereits knapp.
„Das hochkarätige Programm rückt auch in diesem Jahr aktuelle gesellschaftspolitische Themen in den Mittelpunkt der literarästhetischen Auseinandersetzung“, freute sich OB Jürgen Zieger. „Themen wie der massive Wandel von Lebenswelten, die Folgen von zivilisatorischen Brüchen und die Allgegenwart von Gewalt stehen im Fokus zeitgenössischer Literatur und ziehen sich wie ein roter Faden durch die LesART.“ Deshalb sei der Auftakt mit Bedacht gewählt – am Dienstag ein „Pre-Opening“ mit dem algerischen Autor Boualem Sansal und dann der gestrige Eröffnungsabend mit Swetlana Alexijewitsch: „Sie ist eine Schriftstellerin, die sich immer wieder in den gesellschaftlichen Diskurs einmischt und zu aktuellen politischen Themen Stellung bezieht, ohne persönliche Repressalien zu scheuen“, lobte der OB.
So habe sie couragiert die innenpolitische Repression in Weißrussland unter Alexander Lukaschenko kritisiert sowie die Resowjetisierung und Remilitarisierung der russischen Gesellschaft unter Wladimir Putin beim Namen genannt. Doch nicht allein das macht die Autorin für Zieger so bedeutend: „Die Vergabe des Nobelpreises an Swetlana Alexijewitsch war zugleich eine große literarische Anerkennung. Denn sie ist eine Schriftstellerin, die mit den Mitteln der Literatur auf die Unübersichtlichkeit der gesellschaftlichen Realitäten antwortet.“
Zieger nutzte die Eröffnungsveranstaltung, um sich „bei all jenen zu bedanken, die sich für die Kontinuität, den Erfolg und die Qualität der LesART eingesetzt haben und einsetzen“. Neben der Eßlinger Zeitung und der Stiftung Kreissparkasse nannte er auch den örtlichen Buchhandel, der das Festival unterstützt. Vor allem aber betonte Zieger die außergewöhnliche Leistung der Stadtbücherei, die für Konzeption, Planung und Durchführung der LesART verantwortlich zeichnet: „Bücherei-Leiterin Gudrun Fuchs und dem gesamten LesART-Team danke ich für das große Engagement und den hohen Einsatz – allen voran Renate Luxemburger, die für das Erwachsenenprogramm sowie die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich ist, und Bettina Langenheim, zuständig für das Kinder- und Jugendprogramm.“

Fiktion hilft, die Realität zu verstehen
Gerd Schneider, Chefredakteur des Mitveranstalters Eßlinger Zeitung, mag die Literaturtage ebenfalls nicht mehr missen: „Es ist alles andere als selbstverständlich, dass die LesART Jahr für Jahr ein derart umfangreiches und qualitätvolles Programm anbietet.“ Dafür zollte er Bücherei-Leiterin Gudrun Fuchs und ihrem Team Respekt: „Wir wissen, was wir an unserer Stadtbücherei haben, und wir schätzen die Zusammenarbeit sehr.“ Die Eßlinger Zeitung trage die LesART aus großer Überzeugung mit, und daran werde sich auch in Zukunft nichts ändern: „Es gehört zum Selbstverständnis einer Zeitung, die in dieser Stadt tief verwurzelt ist und das auch bleiben wird, dass sie ein derart herausragendes Festival mitträgt.“ Durch eine ausführliche Berichterstattung wolle die EZ dazu beitragen, „dass die LesART auch diejenigen erreicht, die selbst nicht zu jeder Lesung kommen können“. Denn die Literaturtage könnten weit über den literarischen Aspekt hinaus wirken: „Der algerische Autor Boualem Sansal hat uns bereits eindrucksvoll vor Augen geführt, wie wichtig die Kultur im Allgemeinen und die Literatur im Besonderen für eine Gesellschaft sind. Sie schaffen Identität und helfen uns, die Dinge, die um uns herum geschehen, bewerten und richtig einordnen zu können. Um die Realität zu verstehen, brauchen wir die Fiktion. Das ist in diesen unruhigen, ja verrückten Zeiten wichtiger denn je.“ Gerade mit dem Schwerpunkt Gewalt zeige die LesART, dass sie auf der Höhe der Zeit ist. „Dass Gewalt in vielfältiger Form ausgeübt wird, auch sprachlich, bringt uns bei der Auftaktveranstaltung auch und gerade die Literatur-Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch nahe“, sagte Gerd Schneider.
Dass mit der weißrussischen Autorin ein mit hohen literarischen Ehren bedachter Gast gestern die LesART eröffnete, unterstrich den hohen Stellenwert, den dieses Festival genießt. Im Gespräch mit Gerd Schneider stellte Swetlana Alexijewitsch ihr preisgekröntes Buch „Secondhand-Zeit – Leben auf den Trümmern des Sozialismus“ vor.