Von Gaby Weiß

Er wurde in Göteborg als Sohn eines griechischen Vaters und einer österreichischen Mutter geboren, heute lebt und arbeitet er in Berlin. Und wer seine Bücher liest, der spürt sofort, dass das Leben den Schriftsteller Aris Fioretos auf vielfältige Weise geprägt hat. Unter dem Titel „Das Maß eines Fußes“ hat er vor Jahren lebenskluge Geschichten und Essays, die auf der Grenze zwischen Fiktion und Essay balancieren, zu Papier gebracht. Vor drei Jahren hat er in dem Roman „Die halbe Sonne“ die Geschichte eines griechischen Vaters erzählt. Nun stellt Fioretos bei der LesART sein jüngstes Buch „Mary“ vor, das von einer jungen Frau in Zeiten der griechischen Militärdiktatur erzählt.

Alles beginnt mit Marys Liebe zu Dimos, einem Anführer der Studentenbewegung. Als sie durch ihn ins Fadenkreuz des Sicherheitsdienstes gerät, wird Mary im November 1973 festgenommen und eingekerkert. Hunger, Kälte und Folter sind an der Tagesordnung. Was keiner ahnt und was auch Mary nur für sich behält: Sie erwartet ein Kind von Dimos. Viele wären unter dem Eindruck der allgegenwärtigen Gefahren und Bedrohungen zusammengebrochen, doch Mary gibt nicht auf. Viele wären der Versuchung erlegen, die eigene Situation zu verbessern, indem sie andere ans Messer liefern, doch Mary bleibt standhaft. Und sie erlebt in den Kerkern des Sicherheitsdienstes immer wieder Solidarität unter den gefangenen Frauen, die instinktiv spüren, dass sie nur gemeinsam überleben und anständig bleiben können.

Aris Fioretos’ Roman „Mary“ (Hanser-Verlag, 24 Euro) erzählt von einer jungen Frau in existenziell bedrängter Lage. Atmosphärisch dicht und mit großer Intensität beschreibt der Autor, wie die Titelheldin um des Überlebens willen Stärke zeigt, damit ihre Häscher nicht einmal ahnen, wie sich sich wirklich fühlt. Und der Leser beginnt zu begreifen, was Verfolgung, Haft und Folter in einem Menschen anzurichten vermögen - ganz egal in welchem Land der Welt und im Geiste welcher Ideologie.