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Der Schauspieler Dominique Horwitz setzt beim Stuttgarter Musikfest Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“ unter Hochspannung.

StuttgartEr ist drei auf einmal. Igor Strawinsky hat seine „Geschichte vom Soldaten“ 1917 für einen Vorleser und zwei Schauspieler nebst kleinem Instrumentalensemble komponiert; der Schauspieler Dominique Horwitz bringt im Stuttgarter Theaterhaus eine solche Energie, nein, einen solchen Furor auf die Bühne, als wolle er am liebsten auch die sieben Instrumente selbst spielen. Weil er das denn doch nicht kann, beschränkt sich der Mann mit schwarzem Sakko, schwarzer Hose, leuchtend rotem Hemd und Schnürsenkeln auf die drei lesenden beziehungsweise spielenden Rollen. Nur einmal lässt Horwitz, fast synchron zum hinter ihm stehenden Schlagzeuger, mit den Händen die Trommel wirbeln, als sei er ein gespenstisches Schattenbild des Musikers, lautlos und mit grimmigem Blick.

Virtuos bettet der Schauspieler in den Erzähltext die in raschem Wechsel gesprochenen Dialoge zwischen dem Teufel und jenem Soldaten ein, dessen Geige (also: dessen Seele) der vielgestaltige Beelzebub in seinen Besitz bringen will. Horwitz windet sich, gestikuliert wild, spielt mit den Konsonanten, wobei ihm das Wasser von Stirn und Zunge spritzt. Er verwandelt sich – ein Meister der Mimikry! – , er verausgabt sich völlig. Und er beweist, dass auch Sprechen Musik sein kann: Spiel mit Rhythmen, Metren, Lautstärken, Tonhöhen, Tempi und Klangfarben. Voller Spannung verfolgt man mit ihm das Auf und Ab im Kampf zwischen Teufel und Soldat, dessen Verlauf Strawinsky und sein Textdichter Charles Ferdinand Ramuz einem russischen Volksmärchen entlehnten.

Neben diesem Feuer speienden Darsteller-Vulkan wirkt das Arte-Ensemble ein wenig blass. Die Musiker hätten gelegentlich einfach mal die Sau rauslassen müssen. Ordentlich, sehr klar bereiten sie die von Strawinsky verwendeten Tanzformen auf, spielen Tango, Ragtime, English Waltz, dazu einen Marsch, eine Pastorale und einen ins Satirische gedrängten Choralsatz, aber alles bleibt brav und bieder. Da schlägt nichts über die Stränge, da wagt sich keiner vor, nicht einmal die Geige, die hier eine so prominente Rolle spielt, und so hängt das Groteske des Stücks, das Horwitz so stark nach außen kehrt, musikalisch ein bisschen in den Seilen.

Fast noch mehr gilt dies für das Stück, das Strawinskys Werk hier beigesellt ist: Die Suite für Kammerorchester von 1921, in der Erwin Schulhoff, beeinflusst von Jazz und Dada, unter anderem mit Ragtime, Shimmy und Boston experimentiert, bräuchte deutlich mehr Flexibilität und Freiheit in der Darstellung, als sie in der jetzt vorgestellten Bearbeitung Andreas N. Tarkmanns zu erleben sind. Da reicht es einfach nicht aus, wenn der Fagottist zum Zwecke der Produktion gewollt schiefer Töne immer wieder von seinem Stuhl aufsteht. Das Stück zieht sich. Und leider ist der absurde Prolog, den der Komponist selbst verfasste, sehr schnell vorüber. Dominique Horwitz spritzt seine Worte auf die Bühne – und verlässt diese dann (viel zu früh!), um sich in „Bayer Aspirin“ zu verwandeln. Wie gerne hätte man ihn auch dabei sprudeln gesehen!

15 Uhr, Hospitalhof, Musikfest-Café: Krieg und Frieden im 21. Jahrhundert. Oberst Matthias Rogg im Gespräch mit Henning Bey.

19 Uhr, Johanneskirche am Feuersee: Konzert zum Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren. Chorwerke von Edward Elgar, Arnold Schönberg („Friede auf Erden“), Judith Bingham (neues Auftragswerk), Ralph Vaughan Williams und anderen. Tenebrae Choir, Leitung: Nigel Short.