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Mit Männerbildern und Dominanz setzt sich der Künstler Wolfgang Dick in seinen Arbeiten auseinander. Seine Ausstellung „Heroes“ ist derzeit im Schlössle in Oberlenningen zu sehen.

LenningenWann ist ein Mann ein Mann?“, knödelte Herbert Grönemeyer schon vor 35 Jahren. Eine Frage, die seither Generationen bewegt – und das bis heute. Die Kerle sind in Not. Das Rollenbild des Mannes ist im Wandel der Zeit unscharf geworden. Zu viele Facetten, zu viele Forderungen: „außen hart und innen ganz weich“. Das männliche Geschlecht sieht sich im schmerzhaften Spagat zwischen Hausmann und Held. In seiner jüngsten Ausstellung „Heroes“ im Schlössle in Oberlenningen setzt sich der Dettinger Grafikdesigner, Zeichner und Maler Wolfgang Dick facettenreich mit dem Thema auseinander.

Er spielt dabei nicht nur auf die Triebkräfte männlicher Machtgier und Geltungssucht in seinen Arbeiten an, sondern zeigt, analog zu Originalen der klassischen Moderne, Weiblich-Sinnliches und erotische Bilder. Wortspielerisch verknüpft Wolfgang Dick die Frau und das männliche Verlangen nach ihr im Ausstellungstitel „Heroes“ als Konglomerat aus „He“, das englische Wort für „Er“, und „Eros“ – das Verlangen nach Liebe. Es macht aber auch „die Angst des Mannes vor der Macht der Frau“ sichtbar, wie die Kunsthistorikerin Katrin Burtschell im Rahmen der Eröffnung betonte.

Auf amüsante Weise führt Dick die primatenhafte Machtdemonstration und den Machismo à la Trump, Putin, Erdogan und Kim Jong-un in einer comic-haften Bilderserie ad absurdum. In seiner Kunst strebt er aber auch den Beweis an: Macht macht sexy. Der amerikanische Präsident wird in „Vanity – Fake Duck“ mit weit aufgerissenem Riesenschnabel dargestellt. In „Sponge Bank – Thank you for dealing with the Deutsche Bank“ wird der skrupellose Immobilienhai als harmlose Schwammkopffigur aus der amerikanischen Zeichentrickserie persifliert. Damit spielt der Künstler auf die Machenschaften der Deutschen Bank im Goldman-Sachs-Skandal an. Bib, die pralle Werbefigur des französischen Reifenherstellers Michelin, rennt in „Le Bib est la bête“ als dickes Männchen mit einer phallischen Rakete im Arm über ein Reifenprofil, die Spitze auf das Sternzeichen der Jungfrau am Himmel gerichtet.

Um Gewalt, Macht und Lust geht es auch in den drastischen Stierkampfzeichnungen „Choréographie Catalane“: lebenspralle Helden, die sich den tierischen Kraftpaketen lustvoll entgegenstemmen. Leben und Sterben der Kreatur, inspiriert von den künstlerischen Vorbildern Picasso und Goya, werden in dieser Serie auf vielfältige Weise thematisiert. Wieder das Spiel mit Posen männlicher Macht, vermeintliche artistische Überlegenheit, die gelegentlich ins Gegenteil kippt, wenn der Torero aufgespießt wird. Am augenfälligsten ist Dicks Anliegen in der größten, und, wie der Künstler verrät, einzigen Arbeit, die nicht auf Scheufelen-Papier gemalt oder gezeichnet ist. Auf einer Gesamtlänge von 1,76 Metern sind die Männlichkeitsattribute in „Les beaux et la bête“ der kopflosen Stierkämpfer ins rechte Licht gerückt, während das besiegte Tier im Schaufellader entsorgt wird.

Die Schönheit der Frauen ist ein eigenes Kapitel in der Bildwelt von Wolfgang Dick, dem er sich seit drei Jahren widmet. Dabei bedient er sich ungeniert aus der Kunstgeschichte, schöpft und schürft bei Künstlern der klassischen Moderne wie Henri Matisse, Aristide Maillol oder Paolo Troubetzkoy und Francis Picabia, eine der Schlüsselfiguren des Dadaismus‘.

Seine Bildräume sind voller Andeutungen und Verweise. Wer sich darauf einlässt, erlebt sein blaues Wunder, etwa in „Femme faisant ses cheveux“. Sinnlich-runde Körperbögen finden sich bei „Hommage à Maillol – Triomphe des arcs“. Auf Marcel Duchamp spielt „Burka Gioconde pour R.Rose Sélavy“ an. Wie Mona Lisa lächelt dem Betrachter eine weiße Frau mit Burka entgegen, deren transparenter Spitzenbesatz über den durchscheinenden nackten Brüsten bei genauem Hinsehen als grapschende Hände erkennbar sind. „R. Rose Sélavy“ ist ein französisches Wortspiel – „Eros c’est la vie“ und bedeutet „Eros ist das Leben“.

Ähnlich wie sein Vorbild Picabia, setzt sich Wolfgang Dick mit großem Vergnügen und einer gewissen Ironie über Grenzen hinweg, und man ist versucht, dessen Bonmot, „Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann“, auch hier anzuwenden. Denn genau das fordert der Dettinger Künstler von den Betrachtern. Er will Anreger, Aufreger und Erinnerer sein. Aber denken, das sollen die Herrschaften bitte selbst.

„Heroes“ ist in den Räumen der Gemeindebücherei im ersten Stock zu sehen. Im zweiten Stock dieses kulturhistorischen Kleinods aus dem 16. Jahrhundert befindet sich das einzigartige Museum für Papier- und Buchkunst. Die Konzeption wurde 1992 von der Papierfabrik Scheufelen in Oberlenningen erstellt. Die zahlreichen und auch sehr unterschiedlichen Exponate als Beispiele der künstlerisch-experimentellen Auseinandersetzung mit dem Medium Buch und Papier, erwarb der Förderkreis Schlössle vor neun Jahren und stellt sie seither der Gemeinde Lenningen als Dauerleihgabe zur Verfügung.

Das Lenninger Museum für Papier- und Buchkunst ist nahezu einmalig mit seinem Ausstellungskonzept, dessen Ziel es ist, eine andere Sicht auf das alltägliche Material Papier zu ermöglichen. Deshalb werden außer einem Abriss über die Geschichte der Papierherstellung vor allem aktuelle künstlerische Arbeiten aus Papier vorgestellt.

Neben Arbeiten von Horst Antes, Günther Uecker, Oskar Holweck und Dorothea Reese-Heim sind auch drei Papier-Raum-Installationen in der Dauerausstellung zu sehen. Es finden wechselnde Präsentationen mit aktuellen Arbeiten regionaler Künstler statt. Die Abteilungen Buchobjekte und Papierkunst präsentieren zwei Kunstrichtungen, die sich sehr lebendig weiterentwickeln und gerade in den letzten Jahren spannende Arbeiten hervorgebracht haben. Das Museum macht eindrucksvoll deutlich, wie vielfältig und lebendig die Auseinandersetzung mit Papier und Buch in der Gegenwart ist.

Die Ausstellung ist bis Samstag, 28. Dezember, zu den Öffnungszeiten der Gemeindebücherei zu sehen. Sie ist zusätzlich am Sonntag, 22. Dezember, von 14 bis 17 Uhr parallel zum Museum für Papier- und Buchkunst geöffnet. Dann ist der Künstler anwesend.