Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Der österreichische Alpenrocker Wolfgang Ambros begeisterte das Publikum zum Auftakt des Wendlinger Zeltspektakels. Er hat von seiner Kraft nichts eingebüßt.

WendlingenDen „Watzmann“ überlasse er heute lieber seinen Epigonen. „Die machen sich drüber lustig“, meckerte Wolfgang Ambros bei seinem Auftritt in Wendlingen über das Musical, das ihn 1974 gemeinsam mit Manfred Tauchen und Joesi Prokopetz berühmt gemacht hat. Das klang ein bisschen resigniert. Schließlich wurden er und seine Band aber bei ihrem Zeltspektakel-Auftritt am Donnerstag doch noch schwach.

Begleitet von gespenstischen Lichteffekten, schrie der Vater des Alpen-Rock die verzweifelten Textzeilen von „Mei Bua, der fallt“ ins Zirkuszelt am Sportplatz beim Freibad. Das funktionierte auch „unplugged“, denn der Sänger und Gitarrist spielte akustisch. Sein unverkennbarer Sound aber weckte beim Publikum Erinnerungen an die ebenso legendäre wie hoch dramatische Komposition, mit der Ambros in den 70er-Jahren die dunkle Seite des Bergfiebers zum Klingen brachte. Der 67-Jährige kam mit einer Krücke auf die Bühne, doch seine Stimme hat nichts von ihrer Kraft eingebüßt. Obwohl der Österreicher sehr gebrechlich wirkte, tat das der Show keinen Abbruch. Mit Keyboarder Günter Dzikowski und dem Bassisten Roland Vogl begeisterte der Altmeister aus der Alpenrepublik das Publikum.

Schon am Anfang des Konzerts gab es Zwischenrufe: Viele warteten auf den Hit „Schifoan“, mit dem Ambros noch heute auf vielen Radiosendern zu hören ist. Da ließ sich der Sänger und Gitarrist aber nicht drängen, bürstete die Zwischenrufer auch mal etwas rüde ab. Doch solchen Wiener Schmäh nahm dem kritischen Geist niemand übel. Ambros ist keiner, der ein Blatt vor den Mund nimmt. 2018 geriet er mit seiner harschen Kritik an der radikal rechten FPÖ in die Schlagzeilen. Er machte in der Regierungspartei „braune Haufen“ aus und kritisierte auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) für dessen Schweigen zu solchen Tendenzen. Daraufhin hetzten Mitglieder der Regierungspartei gegen den Musiker, stellten ihn als „abgehalftert“ hin. Manche bombardierten ihn mit Hassbriefen. Im Netz formierte sich daraufhin eine Gegenbewegung, die Ambros’ Hit „Schifoan“ auf Platz 1 bei den iTunescharts setzte.

Kritischer Blick in den Spiegel

Auf politische Kommentare verzichtete er bei seinem Auftritt in Wendlingen weitgehend. Zwar sind Ambros’ Ansprachen zwischen den Musiktiteln „deutlich zu lang geraten“, wie der Köngener Wolfgang Vogel in der Pause bemängelte. Er hat den Start schon 2010 bei seinem letzten Zeltspektakel-Gastspiel in Wendlingen erlebt. Tatsächlich sinnierte der 67-Jährige diesmal gar zu viel über den Sinn des Lebens. Der Rat ans Publikum, sich in der Pause doch mal selbst im Spiegel anzuschauen und zu hinterfragen, offenbarte zwar Ambros’ grantige Ironie. So richtig kam der Biss hinter diesem guten diesem Ratschlag bei den Zuhörern aber nicht an.

Musikalisch fesselte der gebürtige Wiener die 600 Fans im ausverkauften Zelt aber umso mehr. Dass aus dem kraftvollen Wiener ein gebrechlicher alter Mann geworden ist, berührte viele im Publikum zutiefst. Doch die Würde, mit der Ambros dann mehr als drei Stunden die Bühne rockte, ließ den körperlichen Verfall vergessen. Behutsam stützten ihn seine Musiker Günter Dzikowski und Roland Vogl beim Aufstehen, damit er den großen Applaus genießen konnte. Das alles hatte nichts damit zu tun, dass da ein alternder Künstler nicht loslassen kann. Selbstbewusst steht Ambros zu seinen körperlichen Gebrechen. Seiner musikalischen Qualität, diesem grantig-kritischen Geist tut das keinen Abbruch.

Vielleicht sogar im Gegenteil. Seine Texte sind besinnlicher geworden, gehen mehr in die Tiefe. Sein Song „Tendenz zur Demenz“ bringt den Schmerz über das Älterwerden zum Ausdruck: „Du schaust mi an, als hätten wir uns irgendwann schon amoi troffen – sog, hob’n mia goa scho amoi miteinander g’schloff’n??“ Das Vergessen, der Verlust eines selbstbestimmten Lebens, hallen in solchen Zeilen schrecklich nach. Ambros zwingt seine Zuhörer, ganz genau hinzuhören. Das machte seinen Auftritt im Zirkuszelt zu einem so besonderen Erlebnis.

Dass der begnadete Rocker Ambros auch bei einem akustischen Konzert mit seiner starken Stimme punktet, ist seiner Band zu danken. Günter Dzikowski setzte den Sänger mit schillernden Keyboard-Klängen in Szene. Roland Vogl hielt die schnellen Rhythmuswechsel wunderbar mit: Von der besinnlichen Ballade bis hin zum hämmernden Rocksong nahmen die drei das Wendlinger Publikum auf die unterschiedlichsten Reisen mit.

Nach tosendem Schlussapplaus hatte die Qual für das Publikum dann doch noch ein Ende. Erst setzte der 67-Jährige mit dem Hit „Es lebe der Zentralfriedhof“ aus dem Jahr 1975 einen grandiosen Schlusspunkt. Aber den Gruseltext, der die berühmte Wiener Grabstätte zu neuem Leben erweckt, wollte Wolfgang Ambros dann so doch nicht stehen lassen. Denn nach wie vor steht sein leichter Popsong „Schifoan“ für sein Lebensgefühl, mit dem er bis heute ganze Generationen für seine Musik begeistert. Seinen eigenen körperlichen Grenzen zum Trotz, träumt sich Ambros da immer und immer wieder in die unergründliche Wunderwelt der verschneiten Berge hinein.

Am heutigen Samstag, 12. Oktober, 20 Uhr, geht das Zeltspektakel mit Andreas Kümmert und Band in die nächste Runde. Im Vorprogramm spielen Sonic Love. Karten kosten 29 Euro an der Abendkasse. Fräulein Wommy Wonder tritt am Sonntag, 13. Oktober, um 19 Uhr mit einer auf das Zeltspektakel zugeschnittenen Show auf (Abendkasse: 24 Euro). Am Sonntag um 11 Uhr ist der kostenlose Frühschoppen mit Kinderbasteln. Ab 13 Uhr spielt die Basement Big Band.

www.zeltspektakel.de