Faszinierendes Vexierspiel: Daniel Elias Böhm (Bello) und Daniel Großkämper (Max) im Esslinger Schauspielhaus. Foto: Pfeiffer Quelle: Unbekannt

Von Petra Bail

Esslingen - Die Zuschauer kommen, und Bello tollt schon auf der Bühne. Selbstvergessen spielt er mit seiner Decke im Maul, krabbelt und hechelt, wälzt sich vergnüglich auf dem Boden, schubbert sich das grün-braune Fell, kläfft und grunzt tierisch echt. Die Moves hat Daniel Elias Böhm gut drauf. Schließlich wird er die nächsten 90 Minuten irgendein Wesen zwischen Hund und Mensch darstellen - Herrn Bello. Der war ein Mensch, der einmal ein Hund war, und ist jetzt ein Hund, der sprechen kann.

Der Kinderbuchautor Paul Maar hat die Abenteuer um den wandelbaren Hund und seinen zwölfjährigen Besitzer in einer Kinderbuchreihe festgehalten. Zwei Teile wurden in den vergangenen Jahren an der Esslinger Landesbühne (WLB) vorgestellt. Jetzt hatte die dritte Folge, „Wiedersehen mit Herrn Bello“, in einer temporeichen, multimedialen Bühnenfassung von Jan Müller, der auch Regie führte, als vorweihnachtliche Kinder- und Jugendproduktion im Esslinger Schauspielhaus Premiere.

Der Wundersaft ist alle

Dreh- und Angelpunkt des tierischen Vexierspiels ist ein blauer Zaubertrank, der Bello zu Herrn Bello macht. Der Wundersaft ist alle, die Wirkung mäßig, das Sprachtalent hatte ja schon immer kleine Programmfehler. Weil Bello Mercurialwasser geschlabbert hat, sehen die Zuschauer einen Vierbeiner mit zwei unterschiedlich langen Ohren und einem Fell, das an manchen Stellen selleriegrün schimmert. Unbefriedigend findet Bello diesen Zwitterzustand. Er möchte lieber wieder Mensch sein und so reist er mit Freund Max, der eh Ferien und Liebeskummer wegen Selina hat, nach Marburg. Dort lebt der Erfinder des Wundermittels. Herr Melchior soll mit Hilfe des Heil- und Zaubermittels Mandragora, das Max‘ Vater, der Apotheker Sternheim, zur Verfügung stellt, neuen Stoff kreieren.

Die beiden fahren mit der Bahn, was an sich schon eine Odyssee ist und Auftakt einer bezaubernden Freundschafts- und Liebesgeschichte für Zuschauer zwischen 5 und 55 - und auch noch ein bisschen darüber hinaus. Die Kleinen haben ihre Freude an dem tollpatschigen Bello, der sich auch als Hund eine kindliche Naivität bewahrt hat. Die Größeren identifizieren sich mit Max, der sich außer für seinen vierbeinigen Freund jetzt auch für Mädchen interessiert. Auch nicht so einfach.

Was wäre eine Zaubertrankgeschichte ohne Mystik und Magie? Im Labor des Marburger Forschers Melchior brodelt und zischt es in den Kolben wie im Comic mit Daniel Düsentrieb. Franz Zauleck hat für das Spiel zwei deckenhohe Videoleinwände geschaffen, die wie ein aufgeschlagenes Buch auf der Bühne installiert sind. Die Seiten dienen als Projektionsfläche für kleine Filmsequenzen, für Schattenspiele und Bilder, mit denen die Handlung effektvoll transportiert wird. Die Landschaft fliegt förmlich auf der Zugfahrt vorbei, während Max und Celina als Schattenfiguren zu sehen sind.

Max und Bello landen in Marburg, bei Melchior, der einen riesigen Ballonkopf hat. Seine Tochter Maike ist optisch eine sexy Mischung aus Gundel Gaukeley und Marilyn Monroe. Sie steht den beiden mit ihrem italienischstämmigen Lebensgefährten Onkel Hastore zur Seite. Denn Bello wird von Edgar entführt. Der Dompteur mit atemberaubender Elvis-Tolle will den sprechenden Hund als Zirkusattraktion vermarkten.

Eigentlich ist es fies, einen Hund zu klauen. Aber der Zirkus ist bettelarm. Die Tochter des Zirkusdirektors, Paloma, muss, wenn sie nicht als Seiltänzerin im Dienst ist (sie macht das dramaturgisch geschickt auf einem Lichtstrahl balancierend vor), in den Fußgängerzonen des jeweiligen Standorts mit einem Pony Geld sammeln. Sie müsste es nicht mehr, wenn Bello die Sensation der Manege wäre. Ein echter Interessenkonflikt.

Auch hier wird das „Bilderbuch“ zur Multimediafläche für comichafte Videoszenen und Schauspiel. Man sieht Bello im Tigerkäfig hinter gemalten Gittern darben, deren Originalinsasse längst gestorben ist, Edgar wird beim Gassi-Gehen mit Bello hinterhergeschleift, und Papa Sternheims Schattenriss skypt auf der Leinwand per Tablet mit seinem Sohn, der am alten Wählscheibentelefon in Marburg steht. Am Ende siegt natürlich die Gerechtigkeit. Alle sehen ein, dass es mit Selbstjustiz auch nicht funktioniert. Schließlich vermissen sich die Freunde Bello und Max ganz schrecklich. Dank der blauen Akelei im Zaubertrank mutiert Bello wieder zu Herrn Bello. Und der Zirkus findet einen originellen Dreh, wie er Publikumsmagnet wird.

Außer Bello haben alle Darsteller Mehrfachrollen, die sie mit viel Humor in ihren originellen Kostümen von Franz Zauleck bravourös ausfüllen. Die glänzenden Stars neben Superstar Daniel Elias Böhm im Hundedress sind Daniel Großkämper als adoleszenter Max und Branco. Wolfgang Boos spielt Papa Sternheim und Onkel Hastore mit dem köstlichen Sprachtick. Paloma, Herr Melchior und Sternheim-Freundin Verena werden von Stefanie Friedrich dargestellt. Galina Freund ist die zickige Selina und der Hingucker Maike. Als hinterhältiger Edgar und als gestreifte Kugel Niklas, an den sich Selina ranmacht, weil er den Traum aller Mädchen besitzt, nämlich ein Pferd, darf Timo Beyerling sein komisches Talent ausleben.

Die nächsten Vorstellungen: 10., 17. und 26. Dezember.