Das Chaos hat System: Foto aus Frank Paul Kistners „connected“-Serie. Foto: Eberle - Eberle

Frank Paul Kistner zeigt Fotografien oberirdischer Kabelführungen: eng verknotete Drähte, scheinbar chaotisch, aber von eigentümlicher Schönheit.

OstfildernDie Wege der Stromversorgung und der Telekommunikation sind verschlungen. Das ist in Thailand so, in Kolumbien, in Kuba. Frank Paul Kistner zeigt in der Ausstellung „connected“ in der Galerie der Stadt Ostfildern Fotografien oberirdischer Kabelführungen: eng verknotete Drähte, scheinbar chaotisch, aber von eigentümlicher Schönheit. Kabel, Leitungen, Lüsterklemmen kommen aus dem Nichts und verschwinden dort wieder. Aber im Gewirr offenbart sich eine heimliche Ordnung der Welt. Denn das Chaos hat System, und das System ist die Funktion der Verbindungen.

Kistners Fotografien rücken aus einer ungewöhnlichen Perspektive und mit perfekt konstruierten Bildausschnitten, mit klar definierten Farb- und Lichtwerten den Kabelsalat in den Fokus – am anderen Ende der Welt und in Stuttgart. Die Fotografien fordern einen zweiten Blick, dann erzeugen diese Zeugnisse kunstvoller handwerklicher Kreativität Stille und Kontemplation, sie beginnen selbst zu kommunizieren. Dimensionen und Wirklichkeiten scheinen zu schwirren, zu vibrieren und zu summen.

Frank Paul Kistner wurde 1959 in Heilbronn geboren, er studierte zunächst in Esslingen Sozialpädagogik und im Anschluss daran Film und Fotografie an der Akademie in Remscheid. Er hat einen Lehrauftrag für Fotografie am Berufskolleg für Grafik-Design in Stuttgart und in Schwäbisch Gmünd. Außerdem arbeitet er mit eigenem Studio als freiberuflicher Fotograf in Fellbach.

Seine Fotografien werden oft mit Werken des 2008 gestorbenen Stuttgarter Kunstakademie-Professors K.R.H. Sonderborg in Beziehung gesetzt, der einer der wichtigsten Vertreter des deutschen Informel war, der nicht-geometrischen abstrakten Malerei. Und tatsächlich: Dynamisch wirbeln Linien und Strukturen bei Kistner wie bei Sonderborg durch den Raum und enden im undefinierten Irgendwo.

Der eigentliche Schwerpunkt von Kistners fotografischem Schaffens ist jedoch der Mensch. In seinen Porträts, die unter dem Titel „Leute“ aktuell in Berlin zu sehen sind, zeigt er nicht nur die sichtbare Welt, sondern lotet nach dem Dahinter, dem eigentlich Unsichtbaren – nicht anders, nur mit anderem Motiv als in der „connected“-Serie.

Zusammenhängend, verbunden, angeschlossen – das alles impliziert das Wort „connected“: den Wunsch, nicht abgehängt zu sein, sondern mittendrin, in stetem Kontakt. Kommunikation bedeutet die Welt, ist die Welt. Und die Wege der Kommunikation sind nicht immer gerade und ohne Hindernisse, manchmal enden sie auch im Nichts. Und manchmal trägt die Kommunikation Wurzeln und Blüten, wie die Leitungen auf Kistners Fotografien. Und alles fügt sich zu bizarren, labyrinthischen Ensembles. Einige Fotografien in Farbe zeigen erzählerisch den Kontext – Stadt, Land, Fluss und die Menschen, die unter diesen kunstvollen Kabelkunstwerken leben, die Kistner selbst „Himmelszeichen“ nennt.

Bis 10. April. Öffnungszeiten: dienstags und donnerstags 15 bis 19 Uhr, samstags 10 bis 12 Uhr und sonntags 15 bis 18 Uhr. An Feiertagen (außer Ostermontag) geschlossen.