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Das Stuttgarter Studio Theater ist eine der interessantesten Bühnen der Stadt. Neben Klassikern setzt der künstlerische Leiter Christof Küster, der als Regisseur regelmäßig an der Esslinger Landesbühne gastiert, auf unkonventionelle Theaterformen.

StuttgartDas Theater putzt sich heraus, die Sommerferien sind in diesem Jahr ausgefallen. Zwar herrschte während der spielfreien Zeit schon bald kühle Ruhe im Zuschauerraum des Stuttgarter Studio Theaters. Dafür gab es im Hinterhof der an der viel befahrenen Hohenheimer Straße gelegenen Bühne jede Menge Geklöppel und Geschleife. Eingang und Foyer werden renoviert, bekommen auch einen neuen Fußboden. Der künstlerische Leiter Christof Küster (49) – regelmäßiger Gastregisseur an der Esslinger Landesbühne (WLB), zuletzt mit Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“ als Freilicht-Inszenierung – und die Theaterleiterin Esther Bernhardt (54) halten den Handwerkerlärm gelassen aus. Alles soll schön werden für die Zuschauer, die jetzt mit den Theaterleuten 50 Jahre Studio Theater feiern können.

„Standbein Spielbein“ ist die längst ausverkaufte Jubiläumsfete betitelt, die an diesem Samstag um 18 Uhr steigt. Und „falls im nächsten Sommer wieder so hohe Temperaturen herrschen wie in diesem Jahr“, sagt Küster, „müssen wir keine Fächer mehr verteilen“. Das Haus hat eine Klimaanlage bekommen.

Hymnen, Videos und Verrisse

Die im Souterrain eines alten Backsteinhauses gelegenen Büros sind auch im Hochsommer vergleichsweise kühl, hier saß Christof Küster nach einem kurzen Sommerurlaub an den letzte Planungen fürs Jubiläumsfest, sichtete alte Videokassetten mit alten Inszenierungen, las sich durch Hymnen und Verrisse der Produktionen der vergangenen Jahrzehnte. Unterstützt wird das Studio Theater mit seinen insgesamt drei Vollzeitstellen beim Renovieren nicht nur von Theaterfreunden, die Mittel spendieren, sondern auch von der Stadt, die das Haus mit 266 000 Euro jährlich fördert, und vom Land, das seit 2015 pro Jahr 80 000 Euro institutionelle Förderung zuschießt. „Das hat wirklich geholfen, wir haben seither eine Planungssicherheit, mehrere Produktionen pro Saison stemmen zu können“, sagt Christof Küster.

Und mehr künstlerische Freiheit: Davor musste das Haus für jede einzelne Produktion wie eine freie Theatergruppe Fördermittel beantragen. Kam das Projekt nicht durch, gab es kein Geld, also auch keine Premiere. „Jetzt können wir auch einmal einen Klassiker zeigen. Solche Stücke werden ja von den Jurys, die Gelder vergeben, meist nicht gefördert, weil sie das nicht für innovativ genug halten“, erklärt Küster. Doch auch kleine Theater haben – trotz oder gerade wegen ihrer bescheideneren technischen Mittel – Möglichkeiten, mit einem klassischen Bühnentext so innovativ umzugehen wie die großen Häuser. Innovativ zu sein – das ist Küster ein Anliegen, sowohl im Haus als auch mit seiner freien Gruppe mit dem etwas sperrigen Namen „Theater – Projekt Stuttgart 22 – Stücke“. Immer wieder wird das Studio Theater jedenfalls genannt, wenn es um die Kür der interessantesten kleinen Theater der Republik geht.

Angefangen hatte das heutige „Hinterhoftheater“, wie man sich in freundlichem Understatement nennt, als religiöses Tourneetheater. Dann wurde eine semiprofessionelle Gruppe daraus, die immer wieder Stücke erarbeitete. Norbert Laubacher, der von 1980 bis 1998 das Studio Theater leitete, sorgte für eine weitere Professionalisierung. Seit 1981 gibt es den regelmäßigen Spielbetrieb, seit 1998 gehört der Kruschteltunnel dazu, das älteste Kindertheater Stuttgarts. Auf Laubacher folgten Carl Häser (1999 bis 2003) und Cornelius Gohlke (2003 bis 2008).

Manche Studio-Theaterleute wie die Regisseurin Nadine Klante haben längst auch im Fernsehen Karriere gemacht. „Was aber das Haus immer schon und immer noch auszeichnet, ist, dass alle mit Herzblut dabei sind“, sagt Küster. „Schauspieler bügeln selbstverständlich ihre Kostüme selber, beim Bühnenbildbauen wird jede Schraube drei Mal verwendet.“

Das Haus hat sich seit Beginn von Christof Küsters und Esther Bernhardts Zeit im Jahr 2008 noch einmal neu positioniert. Ambitionierte Reihen über Strindbergs Dramen sind hier ebenso zu sehen wie Monologe aktuell gefragter Theaterautoren, von Philipp Löhle etwa oder von Lot Vekemans, wie Live-Hörspiel-Produktionen oder die heute so beliebten Romanadaptionen – und auch ein Musical steht mal auf dem Spielplan.

Stücke, die Geld in die Kasse spülen, werden natürlich auch gezeigt, aber mit politischem Anspruch. Sei es die szenische Fassung von Markus Feldenkirchens Bestseller „Die Schulz Story“ über den ehemaligen SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Sei es „Die Schlichtung“ über Stuttgart 21 – eine Inszenierung, die auch überregional beachtet wurde. Mit mehreren Produktionen ist das Studio Theater zudem zu den Privattheatertagen in Hamburg eingeladen worden – und Küster hat drei Mal auch Preise dort geholt, für seine Inszenierungen von Hebbels „Maria Magdalena“, von Max Frischs „Homo Faber“ und von „Hungaricum“ der Brüder Presnjakow.

„Wir versuchen, kein Gefälligkeitstheater zu machen, freuen uns aber natürlich über jede ausverkaufte Vorstellung“, sagt Küster. Damit ist auch bei der ersten großen Premiere der Saison am 1. November zu rechnen. Küster hat sich die Rechte an dem 2016 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Roman „Widerfahrnis“ von Bodo Kirchhoff gesichert. Gespielt wird in Stuttgart und in Hamburg, das Altonaer Theater ist in die Produktion mit eingestiegen.