Kirill Serebrennikov Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Moskau/Stuttgart (dpa/red) - Der Theatermacher Kirill Serebrennikov ist ein Star im russischen Kulturleben - beliebt bei der hippen Moskauer Intelligenz, unbeliebt bei der Führung. Am vergangenen Dienstag durchkämmten maskierte Polizisten seine Moskauer Wohnung und sein Theater, das Gogol-Zentrum (wir berichteten). Angeblich geht es um ein Verfahren wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder. Der Regisseur sei jedoch nicht Verdächtiger oder Angeklagter, sagte sein Anwalt Alexej Fedjarow der Agentur Interfax zufolge. Serebrennikov werde als Zeuge geführt, lauten Auskünfte aus dem Justizapparat. Dennoch wurde er am Dienstag stundenlang von der Polizei verhört. „Ich bin geschockt und verwirrt“, sagte Serebrennikov vor Kameras, als er seine Wohnung verließ. Erst am späten Abend ließen ihn die Ermittler gehen unter der Auflage, wieder zu Vernehmungen zu erscheinen.

Der 47-Jährige erregte im Herbst 2015 an der Stuttgarter Oper mit seiner Inszenierung von Richard Strauss’ „Salome“ internationales Aufsehen. In der kommenden Spielzeit soll er in Stuttgart Engelbert Humperdincks Märchenoper „Hänsel und Gretel“ zum Saisonstart inszenieren. Am Bolschoi-Theater in Moskau ist im Juli die Premiere seiner Inszenierung des Balletts „Nurejew“ über den zu Sowjetzeiten in den Westen geflüchteten großen Tänzer geplant. Dabei will Serebrennikov auch auf dessen Homosexualität eingehen - in Russland ein stark tabuisiertes Thema. Als Serebrennikov einen Film über Tschaikowsky drehen wollte, verlor er die staatliche Filmförderung, weil er die Homosexualität des Komponisten nicht unerwähnt lassen wollte.

Künstler in Moskau solidarisierten sich mit dem Regisseur. Auf der Straße verlas die Schauspielerin Tschulpan Chamatowa („Goodbye Lenin“) einen Aufruf, den auch die Theatermacher Oleg Tabakow, Jewgeni Mironow und Mark Sacharow unterzeichnet hatten. „Wir kennen Kirill Serebrennikov als ehrlichen, anständigen und offenen Menschen“, heißt es darin. „Ich kann mir nur vorstellen, dass Kirill, der viele Aspekte unseres Lebens offen kritisiert, deshalb ins Visier der Staatsmacht und der Sicherheitsbehörden geraten ist“, sagte der Regisseur Wladimir Mirsojew dem Radiosender Echo Moskwy.

In dem Verfahren gehe es um die Veruntreuung von 200 Millionen Rubel (3,1 Millionen Euro) öffentlicher Gelder durch eine von Serebrennikov gegründete Firma zwischen 2010 und 2014, teilte das Staatliche Ermittlungskomitee mit. In der Nacht auf Mittwoch wurden der ehemalige Generaldirektor und die Ex-Buchhalterin der Firma festgenommen. Wladimir Urin, Generaldirektor des Bolschoi-Theaters, sagte unterdessen, die Vorwürfe gegen Serebrennikov seien falsch: „Er ist Künstler. Er ist nicht für Finanzen zuständig.“ Urin hat laut der Agentur Interfax einen Brief an Präsident Putin geschrieben, in dem er die Art und Weise der Ermittlungen anprangerte.