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Im Stuttgarter Renitenztheater hat das Live-Hörspiel „Die Schwabensaga“ Premiere gefeiert.

StuttgartEnde der 90er deckten zwei schwäbische Müllentsorger während der Arbeit beiläufig kuriose Korruptionsfälle auf, in denen ehrwürdige Politiker sich etwas zu sehr um das Wohl der Wirtschaft gesorgt hatten. Ali und Schorsch hießen sie. Die Geschichten aus der Feder von Hartmut Volz und Reinhardt Jung, „Schwabensaga“ genannt, konnte man im SDR hören. Obwohl Korruption in Stuttgart, sei’s am Bahnhof, sei’s beim Diesel, heutzutage ja undenkbar geworden ist, sind die beiden nun wieder da. Und das nicht nur hör-, sondern auch gut sichtbar auf der Bühne des Stuttgarter Renitenztheaters, wo die neue Hausproduktion „Die Schwabensaga“ jetzt Premiere feierte.

Wie es sich für ein Live-Hörspiel gehört, stehen etliche Utensilien auf den Tischen, an denen die vier Sprecher sitzen. Mit dem Sprechen allein ist’s aber nicht getan, die Inszenierung von Günter Maurer sieht auch theatralische Elemente vor. So avanciert ein Hocker im Vordergrund etwa wahlweise zur Parkbank oder zum Abfallsammelfahrzeug. Auf nämlichem rattern anfangs Schorsch (Andreas Klaue) und Ali (Martin Bonvicini) in orangenen Westen durch die Straßen. „Ja, Heilandsack!“, flucht Klaue, wenn’s aus dem Hintergrund hupt, erzeugt bilabial Bremsgeräusche und stellt, knacks, knacks, knacks, die Handbremse. Man erspäht ein „schwäbisches Auto an schwäbischer Waldung“ – und wer sitzt drin? Der ambitionierte Schultes Krötzinger (ebenfalls Bonvicini), dessen Art zu sprechen an eine Kreuzung aus Günther Oettinger und Thomas Strobl erinnert. Jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist aber vermutlich rein zufällig. Doch Krötzinger ist nicht allein: Bei ihm in der Karre ist Elfie (Tine Kiefl) – „die Frau für gewisse Stunden“, erklärt der Erzähltext.

Mächtige Männer

Damen wie Elfie sind im Grunde die heimlichen Protagonisten der Schwabensaga, in der Lust und Liebe, aber vor allem Lust, nicht zu knapp kommen. Denn durch ihre Affären machen sich die mächtigen Männer erpressbar. So auch der Jäger Hubertus, der sich einerseits auf die Machenschaften des Herrn Krötzingers, andererseits auf ein Techtelmechtel mit Gabriele Tietze-Krümpelmann (Johanna Zehendner) einlässt, die „aus Berlin nach Schwaben gezogen war, um hier zu töpfern und zu weben.“ Elfie jedenfalls erkennt ihre Chance, verzichtet auf Verhütung und teilt dem geschockten, aber zahlungswilligen Krötzinger bald mit: „Ich trag‘ ein Kind unter meinem Herzen!“ – „Von wem? Dem geh ich an die Gurgel!“ – „Na musch dich scho selber würga!“

Der viele Sex macht aber nicht nur den Herren, sondern auch der Inszenierung zu schaffen, die eben nicht episodenhaft, sondern als geballtes Bühnenstück daherkommt. So ist man des Gestöhnes auf Dauer überdrüssig, auch von den nicht gerade spärlich gesäten Anspielungen hat man schnell genug: „Ein gewichtiges Glied unserer Gemeinde“, nennt Pater Franziskus (Klaue) den Erzeuger, als die trotz allem gläubige Elfie das uneheliche Kind vom Krötzinger beichtet. „Des han i au gspürt“, pflichtet die Schwangere bei. Dass zur Veranschaulichung noch mehrfach Sprühsahne zum Einsatz kommt, macht das Ganze nicht besser. Mitunter verliert sich das Live-Hörspiel in diesen immer wiederkehrenden Anzüglichkeiten, die ja heutzutage niemanden mehr reizen und daher altbacken wirken. Ebenfalls zermürbend ist der Jingle vom Band, ein geträllertes „Die Schwaabensaaagaaa“, der gefühlt 38 Mal eingespielt wird. Das mag Treue zum Original ausdrücken, nervt auf der Bühne aber mit der Zeit. Wohl deshalb stimmt auch kaum ein Zuschauer ein, als die Darsteller einmal animierend gemeinsam tirilieren.

Penetrante Meta-Scherze

Witziger sind da die weniger penetrant eingesetzten Meta-Scherze, wenn sich etwa Johanna Zehender im rasanten Rollenwechsel immer wieder einen schier ewig langen Schal umwickeln muss und den Kollegen ein „Jaja, Moment!“ zuruft. Generell hat Andreas Klaue nicht gelogen, als er vor der Premiere ankündigte, „Die Schwabensaga“ sei eine der komplexesten Aufgaben, die er in seinem Theaterleben zu erledigen hatte.

Zwar darf er sich als bierliebhabender Schorsch gelegentlich ein „Woiza“ einschenken und in großen Zügen kippen. Doch muss er, wie alle anderen, permanent die Kostüme wechseln, hier rascheln und dort tröten, auch mal einen Wackeldackel vors Mikro halten und kläffen. Die vier Künstler sind gut beschäftigt. Klar, dass da die ein oder andere Schwierigkeit beim Timing auftaucht und man sich am Premierenabend mal versehentlich ins Wort fällt.

Nostalgiker dürften an diesem Live-Hörspiel in jedem Fall Freude haben, gelingt es den Beteiligten doch, die Kultfiguren wieder zum Leben zu erwecken. Dass die 20 Jahre alten Erzählungen aber wohl nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit sind, können auch die zahlreichen Aktualisierungen nicht kaschieren: In der Schwabensaga 2018 tauchen beispielsweise die Elbphilharmonie, die berüchtigte Stuttgarter Mooswand und auch ein „AfD-Seggel“ auf.

Die nächsten Vorstellungen finden am 5. Februar, 27. Februar, 5. März, 23. April und 14. Mai statt.