Nachdenkliche Revolutionärin: Elif Veyisoglu als Rosa Luxemburg. Foto: WLB - WLB

Vor der Premiere: Sabine Bräunings Rosa-Luxemburg-Projekt würdigt an der Esslinger Landesbühne die Kämpferin für Freiheit und Gerechtigkeit.

EsslingenFür die einen ist sie die Ikone eines demokratischen Sozialismus, für die anderen „nur“ eine Kommunistin, viele kennen sie gar nicht mehr. Seit bald 100 Jahren ist die marxistische Theoretikerin und revolutionäre Praktikerin Rosa Luxemburg tot, aber der Erinnerung an sie kann man heute noch begegnen: in ihrem gern zitierten Satz „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden“, bei den alljährlichen Berliner Demonstrationszügen zum Tag ihrer Ermordung, dem 15. Januar – und jetzt an der Esslinger Landesbühne (WLB). Am Freitag hat Sabine Bräunings Projekt mit dem Bandwurmtitel „Die Revolution ist großartig, alles andere ist Quark! Rosa Luxemburg und ihre Freunde“ Premiere im Studio am Blarerplatz. Äußerer Anlass sind zwei 100-jährige Gedenkdaten: die Novemberrevolution von 1918, die am Ende des Ersten Weltkriegs zum Sturz der Monarchie in Deutschland führte, und Rosa Luxemburgs gewaltsamer Tod am 15. Januar 1919. Als führende Persönlichkeiten des revolutionären Spartakusbundes wurden sie und Karl Liebknecht von rechtsextremen Freikorps-Männern in Berlin ermordet. Für die WLB-Schauspielerin Bräuning, die sich seit langem mit Rosa Luxemburg beschäftigt, gibt es freilich auch einen inneren Anlass für ihr theatralisches Biopic: die Faszination durch die große Frau selbst. Bräuning macht keinen Hehl aus ihrer Sympathie, weder menschlich noch politisch: „Vielleicht sollten wir über die Idee des Sozialismus noch einmal nachdenken“, sagt sie. Rosa Luxemburg ist für sie eine Gegenfigur zu den „Betonköpfen“, aber auch zu den letztlich systemkonformen, namentlich sozialdemokratischen Umkippern. „Luxemburg hat Lenins autoritäres Revolutionsmodell scharf kritisiert“, erklärt Bräuning. „Freiheit und Gerechtigkeit waren für sie Schlüsselbegriffe.“ Aber sie blieb doch Revolutionärin: „Sie ging davon aus, dass man nur mit Reformen im Kapitalismus nicht weiterkommt.“

Ein „Heiligenbild“ hat Bräuning nicht im Sinn („dazu war Luxemburg eine zu komplizierte Persönlichkeit“), aber sie bekennt sich zu einer durchaus „parteiischen Sicht“ auf ein außergewöhnliches Leben in einer hochspannenden Zeit. 1871 in polnischen Zamosc geboren kam Luxemburg, die Tochter einer jüdischen Holzhändlerfamilie, 1898 nach Deutschland, engagierte sich zunächst in der SPD, legte sich mit dem Kaiser höchstselbst an, kämpfte gegen den Weltkrieg (und die Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten), wurde als Kriegsgegnerin inhaftiert, schloss sich sofort nach ihrer Entlassung der Revolution an.

„Schon zu einer Zeit, als Frauen noch nicht mal das Wahlrecht hatten, konnte sie sich in der Männerdomäne Politik wirksam positionieren. Und sie ließ sich nicht vereinnahmen, sie war nicht geschmeidig“, sagt Bräuning. Dennoch ist das nur eine Seite ihrer Persönlichkeit: „Nach ihrem Tod veröffentlichte Briefe“, so Bräuning, „zeigen sie als warmherzige Frau, die Gefühle einschätzen und beschreiben konnte.“

In ihrem Projekt stützt sich Bräuning auf einen Bericht von Luxemburgs enger Freundin Mathilde Jacobs, die die gemeinsamen Erlebnisse während des Kriegs und der Novemberrevolution schildert. Darin kommt auch Leo Jogiches vor, Luxemburgs große Liebe und politischer Kampfgefährte, der noch dann ihr Vertrauter blieb, als sie die Beziehung beendete.

Aus diesem dreifachen Biographiengeflecht will Bräuning ein Porträt der bewegten Zeit und ihrer Hauptfigur zeichnen, basierend auf Originaltexten, aber auch auf selbst verfassten und frei erfundenen Dialogen. Wobei sich die Freiheit der Erfindung eng an die historische Wahrheit hält, denn die, sagt Autorin Bräuning, „ist viel spannender als bloße Phantasie“.

Die Premiere beginnt an diesem Freitag um 20 Uhr im Studio am Blarerplatz der Esslinger Landesbühne. Die nächsten Vorstellungen folgen am 28. September, 18. und 26. Oktober.