Foto: Oliver Wilikonsky, Lichtgut

Schmissig, eindimensional, nicht immer glaubwürdig

StuttgartWenn Popmusiker dieser Tage über Politik reden, klingt das bisweilen recht eigenartig – oft changiert die Tonlage zwischen unbeholfen und naiv. Aber weil inzwischen sehr vieles politisch ist in dieser Welt, kommt man um den ein oder anderen Satz zur Lage der Nation kaum herum. Außerdem haben manche Menschen eine empathische Seele, und auch deshalb muss einiges einfach mal gesagt werden. Bei Rea Garvey hört sich das dann so an: Er habe keine Lust auf all das Schlechte, den ganzen Hass und die Gewalt, sagt der irische Songwriter schon sehr früh im Verlauf seines Konzerts – „ich will das gute, schöne Leben“.

Ziemlich simpel sind diese Botschaften – Sätze, auf die sich auch die meisten Gesinnungsgegner problemlos verständigen können. Doch immerhin: Garvey trägt seine Heile-Welt-Rhetorik in der Porsche-Arena so energisch vor, dass sie sich nicht nur wie ein bloßes Standardstatement anfühlt. „Wir sind die Mehrheit!“, bellt er dazu noch in die sehr gut gefüllte Halle, und die 5000 Besucher danken für diesen Akt gegenseitiger Rückversicherung mit viel warmem Applaus. Gemeinsam steht man auf der guten Seite.

Der zweite Grund, weshalb ihn sein Publikum mit jeder Menge Zuneigung durch den rund zweistündigen Auftritt trägt, ist natürlich die Musik. Längst hat sich der 45-Jährige zum Lieblingsiren der deutschen Popfans emporgespielt, nimmt mit seinen gefälligen Gefühligkeiten zielsicher den Mainstream und die akustische Wohlfühlzone ins Visier. Doch inzwischen ist Garveys irische Seele unter einer dicken Schicht an Keyboard- und Gitarrenrocksounds kaum mehr zu erkennen – auch ein kleines Akustikset mit dem Tourgast Ryan Sheridan ändert daran nichts grundlegend. Zwar trägt so manche Melodie das Pathos der Grünen Insel in sich, aber Traditionelles wie Fiddle, Flöte oder Sackpfeife sucht man vergebens. Stattdessen gibt’s einen partytauglichen Sound, den der ehemalige Straßenmusiker im Stil eines Stadionrockers inszeniert: mit großen Gesten, beachtlicher Stimmgewalt und viel angelsächsischem, wirkungssicher einstudiertem Männercharme. Und mit einer stilistischen Gangart, die – man nehme „Fire“, „Water“ oder „Wild Love“ – für beide Gattungen funktioniert. Auf der Straße wie im Stadion braucht es schließlich Songs, die schnell auf den Punkt kommen. Reibungsflächen oder Brüche sind nicht vorgesehen; nichts Kompliziertes soll den Zugang erschweren.

Ein phonstark aufspielendes Quintett mit zwei Gitarristen sowie Bassist, Schlagzeuger und Keyboarder unterstützt diesen Kurs im Volle-Kraft-voraus-Modus; vor allem Patrick Fa packt tüchtig an und bearbeitet sein Drumset mit eisernem Arm. Das klingt breitwandig und kurzweilig, kann aber manche Schwäche nicht überspielen – Songs wie „Heartbreak Century“ oder „Beautiful Life“ etwa leiden hörbar an melodischer Magersucht. Nicht zuletzt offenbart dieser Ritt durch Garveys Solo-Œuvre vom Debütalbum „Can’t stand the Silence“ bis hin zur aktuellen Platte „Neon“ auch manche Glaubwürdigkeitslücke. Wehmütig beklagt Garvey in „Hometown“ den Ausverkauf seiner zwischenzeitlichen Heimatstadt Dublin, die zwar Niederlassungen von Milliardenkonzernen wie Facebook und Google angezogen, dafür aber mit dem Verlust ihrer kulturellen Identität einen hohen Preis bezahlt habe – „die Musik hat hier kein Zuhause mehr“. Das ist hübsch gesprochen; allerdings tut er selbst inzwischen nichts anderes: Auch Garvey hat seine Identität zugunsten eines eingängigen, aber recht eindimensionalen Musizierstils weitgehend weginternationalisiert.