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Von Michael Evers
Wittenberg - In der symbolträchtigen Wittenberger Stadtkirche, in der Luther vor rund 500 Jahren predigte, beschwor Wolfgang Huber gestern die Notwendigkeit eines neuen protestantischen Aufbruchs. "Es geht uns darum, gemeinsam einen Weg in die Zukunft zu finden und unsere Kirche so zu verändern, dass sie ihrem Auftrag besser gerecht wird", sagt der Chef der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Getrieben von sinkenden Mitgliederzahlen und schrumpfenden Finanzen hat Huber ein grundlegendes Reformkonzept vorgelegt, über das beim Wittenberger Zukunftskongress 300 Vertreter des Protestantismus debattieren. Kontroversen sind dabei programmiert: Der EKD-Chef will die Zahl der bisher 23 evangelischen Landeskirchen auf 8 bis 12 reduzieren, auch die Zahl der Pfarrer und Gemeinden soll abnehmen. An die Stelle der Kirche in jedem Dorf sollen Profilgemeinden rücken, die sich an junge Leute, Freunde von Kirchenmusik oder Großstadtmenschen richten. Für seine schonungslose Analyse und mutigen Visionen erhält Huber zwar grundsätzlich Lob, wird jedoch hinter vorgehaltener Hand auch als "König ohne Land" betitelt. Die EKD als Dachorganisation nämlich kann die Reformen zwar anstoßen, umsetzen müssen sie jedoch die Landeskirchen - und die sehen die Notwendigkeit und den Kurs oft ganz anders als Huber. "Das Impulspapier atmet den Geist, den zentrale Mächte bei dem Griff nach dem Ganzen beanspruchen", wettert der Schleswiger Bischof Hans-Christian Knuth. Die Kirche lebe durch jede einzelne Gemeinde und gewinne ihr Profil nicht durch Zentralismus.
Einen zu großen Veränderungsdrang attestiert die Bochumer Theologieprofessorin Isolde Karle dem EKD-Chef: Die Kirche lebe von überschaubaren Gemeinden vor Ort, modischen Trends sei in dem Reformpapier zu viel Bedeutung beigemessen. Das Zentralproblem der Kirche sei eine geistige Orientierungskrise bei einem weit verbreiteten Atheismus unter den Menschen. Huber blicke nicht über den Tellerrand, bemängelt Pfarrerin Astrid Kühme aus Chemnitz. So habe die Kirche in Großbritannien bereits viel mehr Aufgaben an professionell ausgebildete Ehrenamtliche übertragen. Vor diesem Schritt warnt jedoch der Einbecker Theologiestudent Benedikt Thebes, der in der kirchlichen Jugendarbeit aktiv ist: "Ehrenamtliches Engagement braucht hauptamtliche Begleitung."
Auch einen mangelnden Blick auf die Ökumene kritisieren etliche Teilnehmer. Schlechter Dinge sind die Teilnehmer des Zukunftskongresses trotzdem nicht - haben sie doch auf dem in der Kirchengeschichte einmaligen Kongress die Möglichkeit, eine Weichenstellung mit zu beeinflussen.
www.ekd.de/zukunftskongress
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