Frontmann Joakim Brodén in Tarnhosen: Für Sabaton ist ein Konzert eine augenzwinkernde Schlacht. Foto: Lichtgut/Julian Rettig - Lichtgut/Julian Rettig

Für die schwedischen Power-Metaller Sabaton ist ein Konzert eine Schlacht – und ein politisch unkorrekter Spaß. Martialisch gedenkt die Band in der Schleyerhalle des Ersten Weltkriegs.

StuttgartAus Schweden kommen einige gute Heavy Metal-Bands. Hammerfall beispielsweise. Oder Sabaton aus dem Städtchen Falun. Seit dem Aufschlagen in der Metalszene im Jahr 2005 ist das Quintett der Inbegriff des schwedischen Power Metals. Allerdings könnten die Meinungen zu den passionierten Hobbyhistorikern nicht unterschiedlicher ausfallen: Für die einen gehören sie längst zur Genre-Elite, während andere sich stundenlang über weichgespülten Schlager-Metal, Geschichtsklitterung oder die teils skurrilen Live-Auftritte der Band auslassen können.

Das Konzert in der rappelvollen Stuttgarter Schleyerhalle bringt Licht ins Dunkel. Sabaton sind in den vergangenen zwei, drei Jahren richtig groß geworden in ihrem Genre, satte 12 000 Fans füllen die Arena – aber sie sind nicht großartig. Sie sind ein schnörkelloser, unverfälschter und hymnischer Heavy Metal-Act, aber konzertant keine Genre-Elite. Sabaton sind einfach eine gut geölte (Kriegs-)Maschine, die locker-beschwingten Power Metal mit der Faust in der Hosentasche serviert, der Spaß macht, keinen enttäuscht und gerade den Zeitgeist trifft. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Ein Furcht einflößender Hingucker

Allein die Bühne ist ein Furcht einflößender Hingucker. Sie gleicht einem Militärcamp in der Wüste, umwehrt von Stacheldrahtzäunen und Schutzwällen aus Sandsäcken. Das Schlagzeug thront auf dem Geschützturm eines Panzers, die mit Stahlhelmen behängten Mikrophonständer sind nach dem Vorbild von M16-Gewehren gestaltet. Hinten auf dem großen Videobildschirm werden immer wieder Kriegsszenen zu Lande, zu Wasser und in der Luft zugespielt. An der Front, deren Linie zwischen Band und Publikum verläuft, wird scharf geschossen. Mit Kanonenschlägen und Flammenwerfern, deren inflationärer Gebrauch den Pulverdampf in der Halle fast nicht verrauchen lässt.

Das Feuer und die abgefeuerten Geschützbatterien heizen die Stimmung von der ersten Sekunde an auf. Wie immer starten Sabaton mit der obligatorischen Eröffnungssalve „Ghost Division“, danach folgen Schlag auf Schlag drei Titel aus ihrem neuen Album „The Great War“. Der heroisch-stampfende, von Keyboards dominierte Titeltrack überzeugt dabei genauso wie „The Attack of the Dead Men“ und das vor Energie strotzende „Seven Pillars of Wisdom“. Doch trotz Ohrwurm-Chorussen, bombastischer Lichtshow und martialischer Ohrenbetäubung: Die fulminanten Powerchords, die metallisch-galoppierenden Gitarrensoli, die erhabenen Keyboardteppiche und epischen Melodien hat man so auch schon von vielen anderen Genre-Bands gehört.

Neu an den neuen Songs ist die Thematik. Auf Album Nummer neun widmen sich Sabaton ausschließlich dem Ersten Weltkrieg. Aber auch das ist nur bedingt neu, denn der Fokus auf Militärgeschichte ist für Sabaton exakt jene Nische, die sie seit 15 Jahren besetzen. Solange und immer erfolgreicher drehen die Schweden nahezu alles, was auch nur im Entferntesten mit Krieg, Heldentum und Aufopferung zusammenhängt, durch den Power Metal-Fleischwolf. Angefangen bei deutschen Kampfpiloten („The Red Baron“ mit einer Hammondorgel im Stile eines Doppeldeckers) und deutschem Kriegsmarinestolz („Bismarck“) über Wikingerheiden („Swedish Pagans“) bis hin zu Stellungskriegstragödien („Fields of Verdun“). Viele Textfeinheiten gehen zwar im brachialen Sound unter, aber die Schweden verbürgen sich selbstredend für historische Genauigkeit, und den mitreißenden, treibenden Rhythmen kann man sich sowieso nur schwer entziehen.

Politisch unkorrekter Spaß

Natürlich ist für Sabaton ein Konzert eine Schlacht – und sie sind die Fußsoldaten. Die Band trägt passende Tarnhosen, Sänger und Mastermind Joakim Brodén zudem eine kugelsichere Weste. Aber bei allem musikalischem Gemetzel ist es doch eine fröhliche, marketingstrategische Kriegstreiberei, sofern man den augenzwinkernden Spaß der Band politisch unkorrekt so nennen darf. Tommy Johansson und Chris Rörland sorgen mit synchronisiertem Gitarrenballett für verschmitzte Momente. Schlagzeuger Hannes van Dahl erfreut sich an einem Geburtstagsständchen der Fans zu seinem 30. Und Anführer Brodén gibt zwischen dickem und kraftvollem Gesang den geerdeten Entertainer mit Schalk im Nacken. Mehrmals leert er auf Geheiß des Publikums bereitwillig Bierbecher auf Ex – ein übliches Live-Ritual –, andererseits bedankt er sich ehrlich bei den Machern der seit kurzem geschlossenen Ludwigsburger Rockfabrik, die Sabaton immer die Stange gehalten haben. Der sonnenbebrillte Mann hat das Herz am rechten Fleck. Das Set umfasst 18 Songs aus sechs Alben, darunter den Titeltrack des Debütalbums „Primo Victoria“ und Fanfavoriten wie „Carolus Rex“. Sabaton schießen unbekümmert aus allen Rohren, decken dabei alle wichtigen Eckpunkte der Bandgeschichte ab und strahlen als Kollektiv eine ansteckende Begeisterung aus. Die euphorisierten Fans antworten mit stadionähnlichen Schlachtgesängen, die beinahe so hymnisch sind wie die Riffs der Band. Dass die Stücke mit zunehmender Dauer immer ähnlicher klingen: geschenkt. Und dass manche Lieder, die sie zusammen mit Support-Act Apocalyptica performt werden, durch Cellobegleitung eher verlieren als gewinnen: es sei ihnen verziehen.

Unterm Strich bleibt eine 100 Minuten lange Geschichtsstunde mitsamt Churchills berühmter Kriegsrede – kurzweilig dank dem riesigen Live-Potenzial von Nummern wie „The Last Stand“. Kurzum: Hollywood-Bombast trifft Historie trifft Headbanger. „To Hell and back“, mit dem Sabaton das Konzert beschließen, darf man ruhig wörtlich nehmen: Am Ende sind Band und Publikum müde, aber glücklich im Konfettiregen.