Die anderen sind doch nur Puppen: Heidrun Warmuth und Sascha Bufe Foto: Björn Klein - Björn Klein

Von der Sehnsucht nach Freundschaft und der Kraft der Fantasie handelt Paul Maars „Snuffi Hartenstein“. Marco Süß hat das Buch auf die Bühne der Esslinger Jungen WLB gebracht.

EsslingenEin wirksames Mittel gegen Einsamkeit ist Fantasie. Niko fühlt sich alleine und erfindet sich einen Kameraden, einen mit braunem Fell und Schlappohren, die so lustig um seinen Kopf schlingern, wenn er sich schüttelt. Sie sind allerbeste Freunde. Unzertrennlich, bis Ole auftaucht. „Es tut mir leid, ich brauch dich nicht mehr“, sagt Niko und schickt seinen unsichtbaren Hund in die Wüste. Dort, im „Nirgendwo“, ist die Landschaft so öde und leer wie Snuffis Inneres. Zum Glück trifft er Mops Mucki, ausrangiert wie er. Ihr Schicksal macht sie zu Verbündeten.

„Snuffi Hartenstein“ ist das jüngste Buch des 81-jährigen Kinderbuchautors Paul Maar. Marco Süß, Leiter der Esslinger Jungen WLB, hat die einfallsreiche Geschichte um Freundschaft und die Macht der Vorstellungskraft für die Bühne adaptiert. Das stark erzählerische Stück für Kinder ab sechs Jahren hatte jetzt in Anwesenheit des Autors im Studio am Blarerplatz Premiere und war gleichzeitig Auftakt zum Internationalen Kindertheaterfestival der Esslinger Landesbühne (WLB), das bis kommenden Sonntag dauert.

Was macht nun so ein Retter in der Wüste, wenn er nicht mehr gebraucht wird? Er arbeitet seine Geschichte ganz therapeutisch erst einmal auf, indem er sie erzählt. Snuffi berichtet Mucki, wie es zu dieser bedingungslosen Freundschaft zwischen ihm und Niko kam. Der Junge brauchte einen Kumpel, der nur für ihn Zeit hat, den er mit niemand teilen muss – und tatsächlich existierte Snuffi auch nur für ihn. Niemand anderes konnte Snuffi sehen, weil er ja in Nikos Kopf war. Sie spielten virtuelles Stöckchenholen, Pfötchengeben und Männchenmachen. Aber wenn Niko mit Snuffi sprach, wirkte das auf andere befremdlich. „Seltsam“, fand Frau Spinat, seine Lehrerin – wie alle anderen Figuren außer den beiden Hunden als Handpuppe gespielt von den Darstellern Sascha Bufe (Snuffi) und Heidrun Warmuth (Mucki).

Nicht nur Snuffi darf mit in die Schule. Das ganze Publikum nimmt am Unterricht teil, wenn Frau Spinat Matheaufgaben abfragt und einen Kanon anstimmen lässt. Das bringt zusätzlich Schwung in die flotte, gut eine Stunde dauernde Aufführung. Die jungen Zuschauer müssen allerdings einiges an Fantasie aufbringen, wenn sie dem Parallelspiel von Schauspielern folgen wollen, die einerseits Fantasie-Hunde darstellen, die in die Realität möchten; andererseits Handpuppen, die wirkliche Figuren wie Niko, Ole, Mutter, Vater, Lehrerin und den wenig freundlichen Frank verkörpern. Marco Süß‘ Inszenierung schafft jedoch das Kunststück, daraus kein Verwirrspiel zu machen. Vielmehr gehen die Gestalten eine harmonische Symbiose ein, von Sascha Bufe und Heidrun Warmuth elegant geführt.

Die virtuelle Freundschaft funktioniert so lange, bis Niko und Ole in der Realität Freunde werden. Was ja tröstlich ist für die Jungs. Nur müssen die imaginären Kumpels jetzt sehen, wie sie aus der Misere kommen. Vielleicht mit Fantasie? Snuffi und Mucki zweifeln langsam an ihrer Existenz, doch sie hoffen, in die Wirklichkeit zu finden, wenn sie sich den Weg nur fest genug vorstellen. Und tatsächlich: Plötzlich wächst Gras in der Wüste, eine Pfütze entsteht, Blumen blühen. Ein komischer Kauz berserkert als Schattenspiel. Doch von Niko und Ole keine Spur. Da taucht Lena mit den roten Zöpfen auf. Sie wünscht sich so sehr einen Hund, doch der Vater sagt: „Wie stellst du dir das bloß vor?“ Sehr gut kann sie sich das vorstellen; snuffig und mopsig sehen ihre beiden Fantasiehunde aus, die nun ein neues Zuhause gefunden haben – auch wenn’s bei einem Mädchen ist. Dieses einfallsreiche Theaterstück ist eine wunderbare, kindgerechte Hommage an die heilende Kraft der Fantasie.

Weitere Vorstellungen: 26. Oktober, 17. November, 16. Februar, 21. März. und 21. Juni.