Chefdirigent Dan Ettinger will „Kammermusik in großem Maßstab“ machen. Foto: Luca Fröhndorf Quelle: Unbekannt

Von Martin Mezger

Stuttgart - Erfreuliche Nachricht: Das Kommando Cannstatt kennt die Stuttgarter Philharmoniker. Selbst in der VfB-Fankurve hat das städtische Orchester einen guten Namen. Und hätte im Wunschkonzert der Fans auch einen guten Klang - zum Beispiel als Begleit-Combo bei „Metallica mit Strings“, bei Auftritten mit DJ oder mit Musik des Filmkomponisten Hans Zimmer. Alle dieser Wünsche werden wohl nicht erfüllt, sagt Philharmoniker-Intendant Michael Stille. Dennoch ergab die Umfrage im Stadion einige Noten zum großen Thema jener Zukunftsmusik, die da heißt: neue Hörerschichten gewinnen, denn die alten werden zwar immer älter, aber irgendwann sterben sie aus.

Mit ihren Überlegungen klinken sich die Philharmoniker in ein Großprojekt des Stuttgarter Kulturamts ein, das sich schlicht „Zukunftslabor“ nennt. Man wolle in Diskussionsprozessen für alle Sparten und Einrichtungen Perspektiven entwickeln, erklärte Kulturbürgermeister Fabian Mayer. Schon jetzt, lange bevor die Resultate vorliegen, ist für Stille klar, dass es künftig „mehr Offenheit, mehr Open-Air-Konzerte und mehr Musikvermittlung“ geben wird. Nicht anders als bei anderen musikalischen Institutionen.

Junge und ältere Wilde

Das neue Saisonprogramm der Philharmoniker gibt mit der Reihe „Junge Wilde“ ein Stichwort vor. Auch wenn es in diesem Fall um gediegene klassische Meister geht, von denen aber nicht wenige - zum Beispiel Mozart oder Mendelssohn - große Werke bereits in einem Alter schrieben, in dem heutige Pop-Musiker gerade mal ihre Vorbilder gestreamt haben. Auf dem Programm steht beispielsweise die erste Symphonie Mendelssohns, komponiert mit 15 Jahren. Umgekehrt ist als alter, aber jung gebliebener Wilder Wolfgang Dauner mit einem Werk vertreten, das zusammen mit Jazz-Größen der Region aufgeführt wird. Und der frühere Alte-Musik-Matador Reinhard Goebel dirigiert die „Eroica“ des zwar nicht mehr ganz so jungen, aber namentlich in dieser Sinfonie jugendlich-rebellischen Beethoven.

Erstmals gastiert der Pianist Fazil Say bei den Philharmonikern (mit seinem eigenen „Water Concerto“), Thomas Hampson singt Alban Bergs „Sieben frühe Lieder“. Es gibt Musik nicht von, sondern über Junge Wilde - Prokofjews „Romeo und Julia“-Suite und Griegs „Peer Gynt“, dirigiert von Philharmoniker-Chef Dan Ettinger und interpretiert zusammen mit dem Konzertpoeten Timo Brunke. Und zumindest wild ist Strawinskys „Sacre du Printemps“ allemal. Auch hier und in etlichen anderen Werken steht Ettinger am Pult, etwa in Schostakowitschs keck-experimentierfreudiger erster Sinfonie, Strauss’ „Heldenleben“ oder den Beethoven-Sinfonien Nummer sieben und fünf - letztere in der zweiten Reihe „Orte der Sehnsucht“, wo ein Sitar-Konzert von Ravi Shankar (mit seiner Tochter Anoushka als Solistin) den exotischen Horizont weitet. Außerdem bietet die Reihe sinnigerweise Dvoráks Sinfonie „Aus der neuen Welt“, Musik von Brahms, Tschaikowsky, Rachmaninoff und anderen. In der Terzett-Reihe schließlich spielt der Pianist Christian Zacharias Mozarts c-Moll-Konzert und dirigiert Bruckners sechste Sinfonie, Ettinger nimmt sich mit „Petruschka“ das zweite frühe Großwerk Strawinskys vor.

„Gegen das Rotlicht anspielen“

Der international gefragte Ettinger, Philharmoniker-Chefdirigent seit 2015, sieht das Orchester auf einem guten Weg zum hehren Ziel eines „kammermusikalischen Klangs in großem Maßstab, auch wenn 100 Musiker spielen“. Einen ganz anderen guten Weg beschreitet der städtische Klangkörper auf den von der Stadt vorgegebenen Leitlinien einer Aufwertung des Leonhards- und Bohnenviertels: Im Gustav-Siegle-Haus, dem Sitz des Orchesters inmitten des Problemquartiers, wolle man intensiver als bisher „gegen das Rotlicht anspielen“, wie Stille sagt. Geplant sind unter anderem vier „Nachtschwärmer-Konzerte“ mit Crossover-Programmen in Kooperation mit dem ebenfalls im Siegle-Haus residierenden Jazzclub BIX sowie - als besonderer Clou - zwei Klassik-Termine, bei denen die Zuhörer mitten im Orchester sitzen können.

Ansonsten vermeldet Stille eine stabile Zahl von 2600 Abonnenten und eine ebenso stabile „Laufkundschaft“ mit insgesamt rund 80 Prozent Platzausnutzung. Von den Querelen aus dem vergangenen Jahr um die strukturelle Unterfinanzierung des Orchesters war jetzt keine Rede mehr. Darum hat sich Tilman Dost zu kümmern, der als kaufmännischer Intendant Stille zur Seite gestellt wurde.

Abonnements und Einzelkarten unter Tel. 0711/2 16 88 990.

www.stuttgarter-philharmoniker.de