Alan Parsons spielt mit „Don’t answer me“ und „Games people play“ Songs für die Ewigkeit. Foto: Marc Metzler - Marc Metzler

Alan Parsons, die Hooters und leider nur kurz Al McKays Earth, Wind and Fire Experience: Die diesjährige Auflage der Nights of the Proms glich eher einer bloßen Nummernrevue – mit Momenten für die Ewigkeit, aber auch Peinlichkeit im Klassik-Teil.

StuttgartDie Nights of the Proms – mal zeigen sie Licht wie in den Jahren 2016 und 2017, mal Schatten wie vergangenes Jahr. Erinnerungen – wie die Zeitreise durch die Proms-Vergangenheit vor Beginn der Reisezeit durch 300 Jahre Musikgeschichte. Die Lebenden wie die Simple Minds und die Toten wie Marie Fredriksson, die im Rückblick auf der Videowall vorbeiziehen, lassen den Jahrgang 2019 umso präziser einordnen: als ein Zwischenjahr. Manches ist gut, manches weniger gut. Die Summe aller Einzelteile ergibt in der nahezu ausverkauften Stuttgarter Schleyerhalle nicht die beste aller Shows, aber auch nicht die schlechteste.

Das gilt besonders für Produzenten-Legende Alan Parsons, der sich mit seiner Körper- und Haarfülle immer mehr einem Stammesfürsten aus Herr der Ringe angleicht. Der 70-jährige Brite, der bereits vor zehn Jahren Proms-Gast war, ist als Performer nicht der Knaller. An Charisma kann er es locker mit dem Elben Elrond, Herr von Bruchtal, aufnehmen. Aber seine Musik ist Headliner-würdig. „Don’t answer me“ und „Games people play“ sind Songs für die Ewigkeit und selbst das neue „One Note Symphony“ passt perfekt zum Konzept: Orchester-Bombast meets Rock, eingebettet in einen fantastischen, druckvollen Sound und eine schöne Lichtshow. Da spielt es eine untergeordnete Rolle, dass Parsons, dessen Stimme leicht brüchig klingt, die Show seinen flankierenden Sängern Todd Cooper und P.J. Olsson überlässt.

Partystimmung unterbrochen

Eric Bazilian (66) und Rob Hyman (69) von den Hooters sind die Show selbst. Sie sind die einzigen der drei Hauptacts, die vor und nach der Pause auftreten. Die beiden US-Amerikaner aus Philadelphia, deren Stern just dort bei Live Aid 1985 aufging, sind Charmebolzen, fantastische Musiker und Songschreiber. „One of us“, der Welt-Hit von Joan Osborne, hat Bazilian geschrieben, „Time after time“ von Cindy Lauper stammt aus Hymans Feder. Beide Songs gehen den 7500 Fans unter die Haut, genauso wie der restliche hymnische Folkrock wie „All you Zombies“, das zusammen mit dem Orchester eine grandiose Wucht erzeugt. Die kreative Hälfte der Hooters vereint Lust und Spiellaune par excellence.

An den Hooters lässt sich der diesmal wenig stringente Aufstieg des spektakelhaften Winterzaubers hin zum Kulminationspunkt festmachen. So muss auch die Frage erlaubt sein, warum Al McKays Earth, Wind and Fire Experience nur ein Kurzauftritt am Ende der ersten Hälfte zugestanden wird. Drei Songs für die vier bunten Sakkoträger sind zu wenig, um den Groove richtig auszubreiten. Der mittlerweile 71-jährige McKay, der bei der originalen US-Funk-Soul-Disco-Legende von 1973 bis 1981 die Gitarre spielte, zelebrierte Klassiker wie das von ihm mitgeschriebene „September“ und „Boogie Wonderland“. Doch just, als die Arena in Partystimmung verfällt, läutet es zur Pause.

Und die Klassik? Ihr wird immer weniger Platz eingeräumt, und wenn, dann wird sie mit urbanen Tanzeinlagen (wie bei Ravels „Bolero“) oder klamaukartigen Einlagen unterlegt. Wenn die feurige Dirigentin Alexandra Arrieche aus Brasilien ihren tollen Klangkörper, das Antwerp Philharmonic Orchestra, zu den „Carmina Burana“ bittet, verwässert das Meisterwerk im Stil von „Fack ju Orff“, derweil Bachs d-Moll-Toccata mit Justin Timberlakes „Cry me a River“ verschnitten wird.

Für das größere Klassik-Ärgernis sorgt allerdings Sopranistin und Wiederholungstäterin Natalie Choquette, die schon 1999 die Proms beglückte. Klassik trifft Kasperin in schriller Verkleidung: Die Frankokanadierin verhunzt „Ave Maria“ und verwurstelt die Arie „Nessun dorma“, die sie mit Spaghetti und Chianti gurgelt. Das ist weder witzig noch stimmlich überzeugend. Dass Choquette ganz anders, pointiert und zauberhaft kann, zeigt sie im Duett mit John Miles. Beim Peter-Gabriel-Song „Don’t give up“ steht sie Kate Bush nur wenig nach. Das gilt in ähnlicher Weise auch für Pop-Sternchen Leslie Clio, eventuell bekannt aus „Sing meinen Song“. Musikalisch kennt man von der Hamburgerin höchstens „I couldn’t care less“, ihrem Hit-Liedchen von 2012. Doch selbst dieser Song will der 33-Jährigen im Hosenanzug stimmlich nicht gelingen und die zappelige Bühnen-Performance der „Lady in Red“ samt Hut und Federboa ist abtörnend. Als die Hooters sie aber für „Time after Time“ an die Seite holen, ist ihre Lauper-Interpretation ansprechend.

Am Ende sorgt NOTP-Spiritus Rector John Miles (70) beim adventlichen Crossover-Ritual, das heuer eher einer Nummernrevue gleicht, für die Schluss- und Glanzpunkte. „Human“ von Rag’n’BoneMan tönt überragend. Die mit Spaß und Leidenschaft intonierte Queen-Hymne „Bohemian Rhapsody“ erzeugt im Widerstreit mit dem Chor Fine Fleur einen magischen Sog – auch wenn Miles gegen Freddie Mercury nie ansingen kann. Und die Proms-Hymne „Music“, Miles einziger Hit, gespielt ganz in schwarz auf dem weißen Flügel, führt perfekt ins Künstler-Finale. Dort schmettern alle den Beatles-Klassiker „All you need is love“.

Es ist eine Weihnachtsbotschaft, die nach drei Stunden „Pop trifft Klassiker“ gerne übernommen wird. Das Christkind kann kommen.