Bassekou Kouyaté Foto: Kritnik Quelle: Unbekannt

Von Dietholf Zerweck

Ludwigsburg - Die Musik Westafrikas und ihre geschichtlichen Wurzeln ziehen sich wie ein roter Faden durch das diesjährige Programm der Ludwigsburger Festspiele. War es im Eröffnungskonzert der ivorische Balafon-Spieler Aly Keïta, hatte vor zwei Wochen der Jeli-Sänger Salif Keïta mit dem Afro-Pop seiner malischen Band das Publikum in tanzende Begeisterung versetzt, so trafen bei der „Song Conversation“ gleich mehrere Musiker aus verschiedenen Ländern aufeinander, die sich im Dialog auf die „Routes of Blues“ begaben. „Der Geburtsort des Blues ist Mali“, glaubt der Ngoni-Virtuose Bassekou Kouyaté: mit einigem Grund, denn dort und in anderen westafrikanischen Staaten begann im 16. Jahrhundert der Sklaventransport nach Amerika, wo sich dann in der Karibik und auf den Baumwollfeldern Nordamerikas der Blues als musikalische Sprache der Unterdrückten herausbildete. Doch auch innerhalb Afrikas gab es Sklavenhandel. Der Sänger und Guembri-Spieler Majid Bekkas pflegt deren traditionelle Musik und gründete in den 1990er-Jahren seine Gnaoua Blues Band und das Festival „Jazz au Chellah“ in Rabat. So kam er auch mit dem deutschen Jazz-Pianisten Joachim Kühn in Kontakt, mit dem er seit Jahren in einem Trio spielt.

Nun standen die drei zusammen mit dem amerikanischen Blues- und Reggae-Gitarristen Corey Harris und Bassekou Koyatés Bruder Moctar als Handtrommler gemeinsam auf der Bühne des Ludwigsburger Scala. Schon beim Präludieren auf ihren verschiedenen Instrumenten ergeben sich ganz eigene Mischungen, spitz ragen die von Kühn artikulierten Töne des Steinway über die parlierenden Klangmuster der kleinen Ngoni-Laute, Corey Harris schrummt zurückhaltend auf seiner akustischen Gitarre, und über seiner resonanzreichen, bassähnlichen Guembri-Laute ertönt der kehlige Gesang von Majid Bekkas. „African Blues“ nennt er sein erstes Stück, in dem sich Joachim Kühn gleich mit funkigen Improvisationen verausgabt, die freilich mit den herkömmlichen Vorstellungen vom Blues wenig gemeinsam haben. Klar, der Blues hat viele Farben und Prägungen, doch wenn Bassekou Kouyaté dann in seinem Song „Pouyé“ von dessen malischen Ursprung im 17. Jahrhundert erzählt und Corey Harris dazu den Refrain „The Highway is Coming for You“ wiederholt, wird die ganze Spannweite einer Musik deutlich, in der Leid, Unterdrückung, Heimatlosigkeit, Verzweiflung mit Überlebenswillen und Lebensenergie zum gemeinsamen Ausdruck kommen. Kouyaté, der auch im Blick auf die heutige politische und gesellschaftliche Situation im von Terror zerrissenen Mali auf die friedliche Gegenkraft seiner Musik verweist, bringt es auf den Punkt: „Everything which became hot one day will cool up again“.

Dialoge gibt es an diesem zweistündigen, von Stück zu Stück ineinander überfließenden Abend vor allem zwischen Bassekou Kouyatés elektronisch verstärkter, wie ein Chamäleon sich verwandelnder Zupf-Ngoni und Joachim Kühns die Motive und Floskeln des Afrikaners beantwortendem Klavier. Wobei sich das gelegentlich in imitativen Spiegelsequenzen erschöpft, aber doch meistens kreative Funken schlägt. Ein Liebeslied wie das „Soukara“ aus Mali schwimmt dann wie eine meditative Insel im sonst rhythmisch wild bewegten Meer der Bluesrouten. Majid Bekkas bringt mit dem marokkanischen „Chalaba“ wieder seine Gnawa-Wurzeln in Erinnerung, und einmal an diesem Abend hat der turbangeschmückte, am Mississippi-Blues geschulte und in Kamerun die Spuren des afrikanischen Blues erforschende Corey Harris mit seinem Song „Mama Africa“ ein wunderbares Solo.