Fehlerfrei und energisch: die elfjährige Anna Meipariani am Violoncello. Foto: Rudel - Rudel

Der Tonkünstlerverband veranstaltete ein Konzert mit jungen Nachwuchsmusikern. Diese spielten am Cello oder an der Flöte im Alten Rathaus. Störend war dort allerdings das gelegentliche Glockenläuten.

EsslingenEsslingen, die Stadt junger Musiker: Nicht nur das Podium-Festival, auch der Tonkünstlerverband veranstaltet Konzerte mit Preisträgern nationaler und internationaler Wettbewerbe, die im Fall des Konzerts im Alten Rathaus allesamt unter zwanzig und noch auf dem Weg zu einer Musiker-Laufbahn sind.

Die in diesem Jahr elfjährige Cellistin Anna Meipariani beispielsweise versteckt ihre Nervosität hinter einer abgeschauten pathetischen Geste. Die „Moses Fantasie“ von Niccolò Paganini, nach dem Thema der Rossini-Oper und eigentlich für Violine – und zwar nur die G-Saite – geschrieben, hat es in sich. Hoch konzentriert spielt Meipariani, gefühlvoll begleitet von Ana Nanuashvili, fehlerfrei und energisch, wenngleich nicht mit letzter Prägnanz, virtuose Läufe und mittels Flageolett in die zweite Oktave gehobene Melodien. Die ein paar Jahre ältere Violinistin Anne Sneeuw wird dagegen beim ersten Satz der Sonatine in D-Dur von Franz Schubert augenscheinlich von ihrem Vater begleitet. Dies wirft Fragen auf, wer führt und wer folgt.

Lisa Maria Ehrenfried trägt Chopins „Variations brillantes“ Opus 12 auswendig vor, ebenso wie die kleine Hanming Deng anschließend Mozart. Sie ist eingesprungen, weil der angekündigte Fagottist Camilo Calzada Carreras verhindert war. Hier nun begann aber, was bei Konzerten im schönen Ambiente des Alten Rathauses ein Dauerproblem ist: Während des ersten Satzes, und vor allem, als sie gerade zum langsamen zweiten Satz ansetzen wollte, machten sich die Kirchenglocken der Stadtkirche St. Dionys bemerkbar. Die Pianistin hielt tapfer durch, leitete bruchlos zum dritten Satz über und half mit ihrer ruhigen und konzentrierten Interpretation über die Störung hinweg. Es sollte nicht die einzige bleiben: Später drang, ebenfalls im unpassendsten Moment, etwas blechern das Geläut des Rathauses selbst in den Saal. Dann, als die Tenorblockflötistin Cathrin Bidlingmaier gerade anfing zu spielen, zog draußen ein besonders lauter Trupp vorbei, und als ob das noch nicht genug wäre, ließ auch noch ein Straßenmusiker sein Akkordeon erklingen.

Hoch interessant waren die drei Präludien des georgischen Komponisten Sulkhan Zinzadse, die Ben Erhardt zur Klavierbegleitung am Cello vortrug. Zinzadse war selbst Cellist. Er ging aus von georgischer Volksmusik und den seinerzeit führenden Komponisten des Sowjet-Imperiums wie Dmitri Schostakowitsch. Die von Erhardt ausgesuchten Stücke waren ausgesprochen rhythmisch, zugleich frei bis hin zu erweiterten Spieltechniken wie gitarrenartig angeschlagenen Saiten oder Auf- und Ab-Glissandi. Es braucht einen Berserker, um dies richtig vorzutragen, und Erhardt fand sichtlich Spaß daran. Nanuashvilis Klavier wirkte demgegenüber fast zart. Dafür griff Linus Dönneweg bei Maurice Ravels „Alborada del grazioso“ anschließend umso härter in die Tasten. Mit drei Sätzen aus Bohuslav Martinus „Variationen über ein Slowakisches Thema“, wiederum für Cello und Klavier, beendeten Mirjam Weise und Alina Schickle bravourös den ersten Teil des Programms.

Nach der Pause überwogen die virtuosen Stücke. Magnus Kuhn meisterte die schwierige Fantasie in C-Dur Opus 17 von Robert Schumann ebenso gut wie später Vitus Polley die „Tarantella“ aus „Venezia e Napoli“ von Franz Liszt. Schumanns Spielanweisung „Durchaus fantastisch und leidenschaftlich vorzutragen“, erscheint indes für einen siebzehnjährigen Pianisten fast zu viel verlangt. Und die Tarantella, die von tänzerischen, triolenartigen Sechsachtelmotiven charakterisiert ist, wurde bei Polley stellenweise fast zum Marsch. Dazwischen fiel der „Raindance“ von Nicola Termöhlen, eben das von Cathrin Bidlingmaier vorgetragene Tenorblockflötenstück, völlig aus dem Rahmen. In der modalen Komposition hat die Flötistin fast durchweg nicht nur in ihr Instrument zu blasen, sondern singt zugleich hinein und lässt zudem periodisch ihre Stimme auch laut erschallen, indem sie die Flöte aus dem Mund zieht. Den Abschluss machte erneut eine Violoncello-Sonate mit Klavierbegleitung: Camille Saint-Saëns, musikalisch weniger außergewöhnlich, allerdings sehr gut gespielt. Wobei Anne Hiddeßen am Cello mit Verve die Melodien vortrug, während der virtuose Part eher Jonathan Panter am Klavier zukam.

In den Interpretationen der jungen Solisten, die am Freitagabend im Alten Rathaus zu hören waren, zeigt sich das Ergebnis intensiver, ernsthafter Bemühungen, die zu einer beachtlichen Reife gelangt sind.