Szene aus „Ghost“ mit Wahrsagerin Oda Mae (Kim Sanders, Mitte) samt Geister-Ensemble. Foto: Stage Entertainment / M. Harlan - Stage Entertainment / M. Harlan

Patrick Swayze, Demi Moore und Whoopi Goldberg waren Teil des erfolgreichen Liebesfilms aus dem Jahr 1990. Das auf dem Film basierende Musical startet jetzt in Möhringen.

MöhringenFrüher destillierte man erfolgreiche Musicals aus Romanen: „Das Phantom der Oper“ oder „Les Misérables“ entstanden so, „My Fair Lady“ und die „West Side Story“ wurden auf originelle Weise aus Theaterstücken großer Autoren adaptiert, „Cats“ gar aus Gedichten. Heute nimmt man einen bekannten Film und schmeißt ihn eins zu eins auf die Bühne, ein paar Monate wird das Stück schon laufen. „Rocky“ fiel in diese Machart, danach „Bodyguard“ und „Anastasia“, nun kommt als deren Nachfolger „Ghost – Nachricht von Sam“ ins Stage-Palladium-Theater in Möhringen, das Musical nach dem erfolgreichen Liebesfilm mit Patrick Swayze, Demi Moore und Whoopi Goldberg aus dem Jahr 1990.

Dass wir Menschen gerne die immer gleichen Geschichten sehen oder lesen, ist ein lange bekanntes Forschungsthema. Aber was kann – man muss es sich nach dieser Premiere fragen – um Himmels Willen spannend daran sein, die Dialoge eines bekannten Films von anderen Leuten aufgesagt zu bekommen? Die Musik ist es jedenfalls nicht. Dave Stewart, die andere Hälfte der Eurythmics, und der durchaus renommierte Musikproduzent Glen Ballard schreiben eine Reihe kurzer, in ihrer eigenwilligen Melodik zwar ambitionierte, aber deshalb kaum eingängige Songs im flotten Popstil. Sie fallen inmitten der Geschichte des erschossenen Bankers Sam, der als Geist seine geliebte Molly vor einem Mörder beschützen will, ehrlich gesagt kaum auf, vielleicht weil sie nie die Handlung vorantreiben, sondern immer nur aufs Geschehen reagieren. Der einzige Ohrwurm stammt aus dem Film, die uralte „Unchained Melody“ aus den 1950er-Jahren mit der Anfangszeile „Oh my love, my darling, I’ve hungered for your touch“ zieht sich als Leitmotiv durch den Abend.

Raffiniertes Lichtdesign

Erzählt wird in Dialogen, die ganz getreulich aus dem Film stammen (kein Wunder, stammt das Buch zum Musical doch von Drehbuchautor Bruce Joel Rubin), illustriert wird mit Bildern, die den Film nachzustellen versuchen. Sams und Mollys neue Wohnung wird hier zu einem schicken Industrieloft mit Beton statt Holz, Projektionen und rasche Verwandlungen sorgen für Tempo, ein durchsichtiger U-Bahn-Wagen und ein paar flotte Zaubertricks versuchen gemeinsam mit dem raffinierten Lichtdesign, die Filmeffekte auf die Bühne zu übertragen. Dass die Produktion in der Regie des Musicalspezialisten Matthias Davids eigentlich aus dem österreichischen Landestheater in Linz stammt, von wo sie die Stage Entertainment übernommen hat, beweist nur, dass Staats- und Stadttheater inzwischen auf dem gleichen Niveau Musicals produzieren wie früher die großen Konzerne. Genau hier dürfte der heimliche Grund dafür liegen, dass die Stage Entertainment nächstens ihre Theater in Essen und Oberhausen schließen muss: Musicals sind nichts Besonderes mehr, sondern zu einem Teil der deutschen Theaterkultur geworden.

Um die hohen Preise dafür auszugeben, muss es schon was Extravagantes wie „Aladdin“ im Apollo-Theater gegenüber sein. „Ghost“ ist, genau wie „Rocky“ oder „Bodyguard“, kaum mehr als gehobene Routine, nach den Stationen in Linz, Berlin und Hamburg nun fein einstudiert für Stuttgart, mit einem Sam, der wesentlich charmanter rüberkommt als der dauerpathetisch guckende Patrick Swayze im Film, und mit einer Molly, die weit hinter die rehäugig-sanfte, stille Demi Moore zurückfällt. Roberta Valentini wirkt hier erstaunlich sauertöpfisch als töpfernde Künstlerin Molly, deren Charakter im Musical zum Selbstmitleid neigt und fast ein wenig penetrant geworden ist. Riccardo Greco dagegen ist als halbtoter Sam ein wahrer Sonnenschein, ironischer und trockener als im Film und doch genauso rettungslos verliebt.

Originelle Randfiguren

Tolle Stimmen haben sie beide, genau wie Kim Sanders, die als falsche Spiritistin Oda Mae Brown die Rolle von Whoopi Goldberg mit grellem und sehr lustigem Bühnenleben erfüllt. Mit Rastalocken und Hippie-Kutte zetert die ehemalige Finalistin der Pro-7-Fernsehshow „The Voice“ als unfreiwillig benutztes Medium vor sich hin, später trippelt sie im bunten Kostümchen in Sams Bank herum und macht mit der großen Tanznummer „Nur weg von hier“ mächtig Furore. Hier ist auch das zwölfköpfige Ensemble gefordert, das gewandt in die vielen, vielen Nebenrollen schlüpft und im ersten Akt von Lee Proud eine schlimme Choreografie unter dem Motto „Tanz die böse Finanzwelt“ verpasst bekommen hat.

Originelle Randfiguren sind ein Krankenhausgeist mit einem Hauch Broadway-Nostalgie sowie ein U-Bahn-Geist mit seinem Brachial-Rap: Gäbe es nur mehr Musik an diesem Abend, die derart aus dem Rahmen fällt. Fiele nur das ganze Musical ein wenig mehr aus dem Rahmen, würde uns nur die Stage Entertainment mal wieder überraschen. Okay, dann halt wieder was fürs Herz.

Aufführungen bis 22. März 2020 täglich außer montags. www.musicals.de