Die Restauratorinnen Eva Tasch (links) und Lydia Schmidt vor einer Tafel des Wildensteiner Altars. Foto: oh - oh

Von Thomas Krazeisen
Stuttgart - Das Geheimnis um seine Identität konnten sie nicht lüften - was auch nicht zu erwarten war. Doch über seine Bilder und ihre Entstehung in der offensichtlich großen Werkstatt des sogenannten Meisters von Meßkirch wissen wir dank der Untersuchungen der Experten der Stuttgarter Staatsgalerie inzwischen einiges mehr. Dort beginnt in wenigen Tagen die Große Landesausstellung über diesen bedeutenden Anonymus, der seinen Namen behelfsweise vom Ort eines seiner Hauptwerke, dem Altarensemble für die Kirche St. Martin in Meßkirch bei Sigmaringen, erhielt.

Es ist die erste umfassende monographische Ausstellung, die diesem Künstler, der zwischen 1520 und 1540 im oberschwäbischen Raum gewirkt hat und zu den frühesten und bedeutendsten Malern der katholischen Reform zählt, gewidmet ist. 200 Exponate werden in der Staatsgalerie zu sehen sein, ein Viertel davon aus dem Schaffen des Meisters von Meßkirch, dessen Oeuvre hier im Kontext mit Zeitgenossen wie Albrecht Dürer, Lucas Cranach d. Ä. und Hans Baldung Grien präsentiert wird.

Mehr als ein Jahr lang waren im Vorfeld der neuen Ausstellung der Stuttgarter Staatsgalerie die beiden Restauratorinnen Eva Tasch und Lydia Schmidt sowie der kuratorische Assistent Peter Scholz mit der kunsttechnologischen Analyse von insgesamt 13 Tafeln beschäftigt. Auch das Trägermaterial der Tafeln - häufig kam hier Tannenholz zum Einsatz - wurde einer materialanatomischen Analyse unterzogen. Und der mithilfe moderner strahlendiagnostischer Methoden geschärfte Blick auf die Werke des Meßkircher Anonymus, unter denen sich auch der vor wenigen Jahren von der Staatsgalerie erworbene Wildensteiner Altar befindet, förderte Überraschendes zutage. Wie penibel der Meister beim Verfertigen seiner Bilder zu Werke ging, verraten bereits die bei der Analyse entdeckten Unterzeichnungen. Hier spielte der natürliche Alterungsprozess den Restauratorinnen in die Hände. Was früher durch die Deckung des Farbauftrags dem Betrachter verborgen blieb, kann man heute teilweise mit bloßem Auge erkennen. Mit Infrarotlicht lassen sich die Schraffuren unter den üppigen Vergoldungen und damit die Vorstufen in der Werkentstehung normalerweise wieder sichtbar machen. In diesem Fall war die Sache etwas komplizierter, weil der Meister für seine Vorzeichnungen Eisengallustinte verwendete - eine Lösung, die damals durchaus üblich war, aber vor allem im graphischen Bereich zum Einsatz kam.

Dieser Umstand und die präzise Ausführung der Vorzeichnungen könnte den Restauratorinnen zufolge die Vermutung bestätigen, dass der virtuose Kolorist von Meßkirch von der Graphik herkommt.

Doch nicht nur die bis ins Detail geplanten Schraffuren sind bei der Untersuchung der Werke aufgefallen. Die Restauratorinnen stießen auch auf bemerkenswerte Korrekturen. Auf der Tafel, die den Heiligen Benedikt als Einsiedler im Gebet zeigt, steht offenkundig das Kreuz, vor dem der Heilige kniet, in der endgültigen Version anders im Bildraum als noch in der Vorzeichnung. Das könnte darauf hindeuten, so die Restauratorinnen, dass der Künstler hier - inspiriert von Dürers betendem Hieronymus - eine Adaption vorgenommen hat.

Und auch interessante Hinweise auf die Arbeitsorganisation in der Werkstatt des Meisters von Meßkirch ergaben die Untersuchungen der vergangenen Monate. Die Restauratorinnen entdeckten auf der Tafel der Heiligen Kunigunde unter Infrarotlicht im Bilduntergrund Abkürzungen, die für die Gesellen bestimmt gewesen sein dürften: „bla“ wäre demnach die Anweisung für die Ausführenden, die entsprechende Fläche blau auszumalen.

Diese Interpretation wiederum würde eine schon länger angestellte Vermutung stützen, wonach der Meister von Meßkirch als Chef einer größeren Werkstatt sich um die anspruchsvolleren Partien wie Gesicht oder Kinn der dargestellten Protagonisten selbst kümmerte, während er die einfacheren Ausmalungen an seine Mitarbeiter delegierte.

Auch wenn er nach den Untersuchungen seiner Werke weiterhin der große Anonymus von Meßkirch bleibt, dürfte der Meister, davon sind die Restauratorinnen der Staatsgalerie überzeugt, nach dieser Landesausstellung einen anderen kunsthistorischen Rang haben.

Die Große Landesausstellung zum Meister von Meßkirch beginnt am 8. Dezember in der Stuttgarter Staatsgalerie. Sie ist bis zum 2. April 2018 zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen. Er ist für 39,90 Euro im Museumsshop erhältlich.

www.staatsgalerie.de