Christian Baudisch hat keine Scheu vor Konsumkritik. Foto: Stadt Böblingen - Stadt Böblingen

Christian Baudisch, Leiter des Deutschen Fleischermuseums in Böblingen, will in seinen Ausstellungen dem handwerklichen Kernthema treu bleiben, setzt aber vermehrt auch Gegenwartskunst aufs Programm.

BöblingenNur Objekte des Metzger-Handwerks? Von wegen: Christian Baudisch setzt im Böblinger Fleischermuseum verstärkt auf Kunst.

Herr Baudisch, in der aktuellen Schau von Anna McCarthy geht es um Fleisch als Schmuggelware und um lebensgefährliche Pizzamaschinen. Das macht aber nicht unbedingt Lust auf Festtagsbraten.
Werbung zum unreflektierten Konsum von Gütern und Lebensmitteln war noch nie die Aufgabe eines Museums! McCarthy spielt mit der Vorstellung, dass irgendwann einmal Fleisch vielleicht in den dunkelsten Ecken einer Stadt genauso vertickt werden könnte, wie das heute bei harten Drogen der Fall ist. Das Video „Bloodless Boutique“ dagegen erinnert an die tierquälerischen Herstellungspraktiken einer Luxushandtasche.

Was sagen gestandene Metzger zu Ihrem Ansatz?
Nicht jede meiner Ausstellungen gefiel immer allen, das ist logisch. Aber gerade die Fachleute des Handwerks verstehen dies. Die konsumkritische Kunst McCarthys wurde jedenfalls mehrheitlich positiv aufgenommen. Wenn Besucher der Ausstellung, die wir ja in der Vorweihnachtszeit eröffnet haben, sorgsamer schenken und schmausen, gewinnen am Ende alle.

Wie viel Prozent Ihrer Besucher kommen wegen der historischen Metzgerwerkzeuge und wie viele wegen der Gegenwartskunst?
Das wird bei uns keiner gefragt. Wir wissen auch nicht, ob das Haus mehr von Fleischessern oder Vegetariern besucht wird. Für den Eintritt muss einfach nur das Kombiticket für alle drei städtischen Museen hier in Böblingen erworben werden. Oft sind die Kunstinteressierten nachher von den Objekten des Fleischerhandwerks begeistert und umgekehrt.

Es gab mal Forderungen, das Museum zu schließen. Sind die vom Tisch?
Ja, der Böblinger Gemeinderat hat beschlossen, den diesbezüglichen Antrag der SPD-Fraktion nicht weiter zu verfolgen. Momentan planen wir eine Neukonzeption der gesamten Böblinger Museumslandschaft.

Wie sieht die aus, was Ihr Haus betrifft?
Dem Fleischerhandwerk als Kernthema wollen wir treu bleiben, aber aus anderen Perspektiven. Mir schwebt ein Ort vor, an dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unserer Esskulturen verhandelt und zugleich leiblicher Genuss und Augenschmaus nicht vergessen werden.

Ist ein deftiger Name wie „Deutsches Fleischermuseum“ noch zeitgemäß? Das frühere „Deutsche Brotmuseum“ in Ulm heißt doch jetzt auch „Museum Brot und Kunst – Forum Welternährung“.
Richtig. Andererseits hat das Deutsche Hygienemuseum in Dresden seinen eigentlich viel unzeitgemäßeren Namen beibehalten - weil er zu jener Geschichte des Gebäudes gehört, die man in der Ausstellungspraxis kritisch hinterfragen möchte. Das strebe ich auch an.

Das Interview führte Georg Leisten.

Ausstellung Anna McCarthy: bis 29. März, Marktplatz 27, Böblingen. Mittwochs bis freitags 15 bis 18 Uhr, samstags 13 bis 18 Uhr, sonntags 11 bis 17 Uhr.