Von Alexander Maier

Mehr als 150 Seiten lang ist die neue Kulturkonzeption der Stadt Esslingen, und auch wenn manchen Kulturakteuren die großen Visionen darin etwas zu rar sind, birgt das Papier von Kulturamts-Leiter Benedikt Stegmayer Diskussionsstoff. Nun hat sich der Kulturausschuss des Gemeinderats mit dem Konzept befasst, doch die Diskussion kratzte fürs erste eher an der Oberfläche. Die kommenden Wochen und Monate werden jedoch noch mehrfach Gelegenheit bieten, die Kulturkonzeption genauer zu durchleuchten. Erst für Oktober oder November ist dann die abschließende Entscheidung angepeilt.

Dass die Rahmenbedingungen nicht einfach sind, machte Kulturbürgermeister Markus Raab deutlich: Der Fahrplan für die strategische Haushaltskonsolidierung der Stadt sieht im Kulturetat Einsparungen von 380 000 Euro jährlich vor. Bislang wurde der Rotstift nicht angesetzt, weil man die Kulturkonzeption abwarten wollte. Und die spricht für die Verwaltung eine klare Sprache. „Einsparungen in dieser Höhe sind ohne einen harten Schlag in die Struktur nicht möglich“, gab Raab zu bedenken. Nur durch Schließung von einer oder gar zwei großen Kultureinrichtungen sei dieses Sparziel erreichbar: „Weil das weniger Kultur in Esslingen bedeuten würde, wird die Verwaltung solche Maßnahmen nicht vorschlagen.“

Richard Kramartschik (SPD) lobte die Aufarbeitung der örtlichen Kultur, befand allerdings, das neue Papier sei „eher Kompendium als Konzeption“. Die anderen Ratsmitglieder nahm er in die Pflicht: „Der Kulturausschuss sah und sieht sich hoffentlich weiterhin in seiner Mehrheit immer als Ermöglicher und nicht als Verhinderer von Kultur.“ Kramartschik fühlt sich unwohl, wenn allein der Gemeinderat bei Einsparungen den Schwarzen Peter hat. Ziel müsse es sein, dass sich Verwaltung, Kulturszene und Gemeinderat „auf eine zukunftsfähige Kulturlandschaft in Esslingen einigen, die alte Zöpfe abschneidet und kreativ neue Wege geht“.

Noch einiger Diskussionsbedarf

Für detailliertere Entscheidungen sah Edward-Errol Jaffke (CDU) die Zeit noch nicht reif - das vorgelegte Kulturkonzept verstehe er eher als „Basispapier“. Handlungsbedarf sieht er bei der Kulturförderung, die es zu überarbeiten gelte. Bei allen Entscheidungen sei zu bedenken, dass Kultur als wesentlicher Standortfaktor anzusehen sei. Carmen Tittel (Grüne) versicherte derweil, ihre Fraktion werde keinesfalls der Schließung einer Kultureinrichtung zustimmen. Kultur koste Geld, sei aber von großer Bedeutung, weil sie präventiv wirken und auch dem Populismus entgegenwirken könne.

Jörg Zoller (Freie Wähler) beklagte, die Kulturvereine kämen in der Kulturkonzeption zu kurz. Er forderte eine Auflistung möglicher Räume für Kulturveranstaltungen und eine Konzeption für die Stadtbücherei, die dann in ein Raumprogramm münden müsse, sowie transparentere Förderrichtlinien. Die Kultur dürfe die Haushaltskonsolidierung nicht aus den Augen verlieren. Tobias Hardt (Linke) findet, dass die Kultur kein geeignetes Feld für die Haushaltskonsolidierung ist. Und Rena Farquhar (FDP) ist überzeugt, „dass wir am Ende für die Esslinger Kultur einen zukunftsweisenden Weg finden“.

Dass bis zur endgültigen Entscheidung über die Kulturkonzeption noch einiger Beratungsbedarf besteht, machte die Diskussion im Ausschuss überdeutlich. Susanne Lüdtke, die als beratendes Mitglied im Kulturausschuss sitzt, sah Projekte mit größerer überörtlicher Strahlkraft wie die LesART oder das Kino auf der Burg im Vergleich zum Podium Festival nicht ausreichend gewürdigt. Und sie stellte die Frage nach der grundsätzlichen Ausrichtung der Esslinger Kultur: „Wir müssen uns fragen, ob wir wirklich noch mehr nach außen wirken müssen als bisher.“

Den Vorwurf, das Papier formuliere zu wenige Visionen, mochte Stegmayer nicht auf sich sitzen lassen. Mit dem Bekenntnis zu einer neu aufgestellten Bücherei und dem Wunsch, eine Stelle für kulturelle Bildung und Teilhabe zu schaffen, habe man klare Prioritäten gesetzt. Als Kulturbürgermeister Raab am Ende zum Beschluss über das weitere Vorgehen bei der Konzeption und die geplante neue Personalstelle abstimmen lassen wollte, erntete er verblüffte Blicke: Die Verwaltung hatte schlicht vergessen, eine entsprechende Sitzungsvorlage auf der Tagesordnung zu vermerken und zu verschicken, was von einigen Ratsmitgliedern ärgerlich kommentiert wurde. Die Abstimmung muss nachgeholt werden.