Mit den Spielformen der Natur beschäftigt sich Dagmar Roos in ihrer Malerei. Quelle: Unbekannt

Irland und die eisigen Fjorde Norwegens bannt die Künstlerin Dagmar Roos in ihre abstrakten Landschaftsbilder. Auf Reisen und in ihrem Bauerngarten findet sie Inspirationen.

BaltmannsweilerBei der Arbeit in ihrem Bauerngarten entspannt sich Dagmar Roos von ihrer Malerei. Da gräbt sie in der Erde, jätet Unkraut, setzt zarte Pflänzchen in Beete und Tontöpfe. „Aus Samen ziehe ich manchmal auch selbst Gewächse. Dann bin ich überrascht, was da entsteht.“ Mit ihren 70 Jahren ist die Künstlerin in ihrem Atelier in Hohengehren noch sehr aktiv. Ihre großformatigen Bilder zeigen Landschaften und wilde Natur. „Die Bewegung zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion“ fasziniert die Künstlerin, die gerne mit unterschiedlichen Materialien experimentiert.

Umrisse von Blättern heimischer oder exotischer Pflanzen in sattem Grün überdeckt sie mit Gespinsten aus feinem Seidenpapier. Dagmar Roos findet es spannend, die Grenzen der Malerei zu überschreiten. Dabei begibt sie sich auf die Suche nach Strukturen, wie man sie in der Natur findet. „Da inspiriert mich unser Garten“, verrät die Künstlerin mit dem schulterlangen braunen Haar. Erst mit 40 Jahren hat die Mutter zweier Söhne das Studium der Freien Malerei an der Staatlichen Kunstakademie in Stuttgart begonnen. Da setzte sie sich gegen hunderte andere Bewerber durch. „Vorher blieb mir wegen der Familie einfach keine Zeit.“ Ihre Lehrer waren die Künstler Moritz Baumgartl und Rudolf Schoofs.

Das Studium hat Roos, die in Tirol geboren ist, beflügelt. „Und ich habe von den Professoren sehr viel gelernt.“ Durch Förderprogramme und Stipendien hat sie nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland gearbeitet. Von 2004 bis 2016 war sie mehrmals als Gastkünstlerin in Irland, zuletzt am Tyrone Guthrie Centre in der Provinz Ulster. Da leben und arbeiten Künstlerinnen und Künstler unterschiedlicher Fachrichtungen, tauschen sich aus. Die Farbe Grün zieht sich durch einen Zyklus von großformatigen Bildern, die in dieser Zeit entstanden sind. „Ich habe die Farbe der Insel aufgesogen“, erinnert sich Dagmar Roos. Reisen und die Begegnung mit anderen Kulturen hat das künstlerische Schaffen der Wahl-Schurwälderin geprägt.

Die Weite der blauen Fjorde

2014 hat sie in Norwegen gelebt und gearbeitet. Die Arbeiten, die in dieser Zeit entstanden sind, hat sie in dem Katalog „Nordland“ zusammengefasst. In diesen Landschaftsbildern ist das Grün dunkler und satter, dominieren Erdtöne. Besonders haben die Künstlerin da das Meer und das Eis fasziniert. Die Weite der blauen Fjorde deutet sie an. Intensiv arbeitet die Künstlerin mit Strukturen, die sie malt, aber auch ausschneidet. Ihre Acrylmalerei kombiniert sie mit verschiedenen Papieren und mit Linolschnitt. So entstehen auf den Bildern organische Strukturen, die der Natur abgeschaut sind. Luftige Bögen von Seidenpapier fangen die Wucht des Windes ein. Im Spiel mit künstlerischen Techniken liegt der Reiz der Arbeiten von Dagmar Roos.

Eine Künstlerinnenfreundschaft verbindet sie mit der Malerin Barbara Lörz aus Neuhausen. Beide Frauen arbeiten mit Papier, spielen mit Gegenständlichkeit und Abstraktion. Deshalb stellen die zwei immer wieder gemeinsam aus, entwickeln dafür neue Konzepte. Das nächste gemeinsame Projekt haben sie ab dem 4. Dezember im neuen Rathaus von Baltmannsweiler geplant. Im März dieses Jahres hat Dagmar Roos ihre Ausstellung „Reigen“ in den Räumen des Bundes Bildender Künstlerinnen (BBK) in der Eugenstraße in Stuttgart gezeigt. Netzwerke wie dieses findet die Künstlerin wichtig: „Es ist schwer, sich auf dem umkämpften Kunstmarkt einen Namen zu machen“, weiß Roos. In ihrer 30-jährigen Ausstellungstätigkeit hat sie viele Kunstfreunde gewonnen, die ihre Arbeiten schätzen. „Es ist einfach schön, wenn sie ihr ganzes Haus mit meinen Bildern ausstatten“, sagt die Malerin und lacht. Auch über Besuche in ihrem Atelier in Hohengehren freut sich Dagmar Roos sehr.

Was sind die nächsten Pläne der Künstlerin, die mit 70 Jahren nicht mal im Traum daran denkt, den Pinsel beiseite zu legen? Da greift sie ein Thema auf, das sie seit ihrem Studium beschäftigt. Mit einem Kommilitonen hat sie damals im Kraftwerk der EnBW fotografieren dürfen. Aus einem Schuhkarton kramt sie alte Schwarzweiß-Aufnahmen hervor. Die Fotos zeigen eine geheimnisvolle Maschinenwelt. Alle Natur ist aus diesen Impressionen verbannt. Auf dieser Grundlage hat sie vor, eine neue Bilderfolge zu malen.“ Das wird ein Langzeitprojekt, zwei oder drei Jahre werde ich dafür schon brauchen.“ Wie sehr sie solche neuen Herausforderungen motivieren und begeistern, ist im Gespräch mit der Künstlerin schnell zu spüren.

Ein weiteres Ziel der 70-Jährigen ist es, ihren Garten in Hanglage an der Pfarrstraße mit Objekten aus Paperclay, also mit Papier versetztem Ton, auszustatten. „Mein Mann sagt immer, das ist doch nur Kunsthandwerk“, erzählt die Künstlerin. Doch das Arbeiten mit der tönernen Masse ist für sie auch ein bisschen Ausgleich zum konzentrierten Arbeiten im Atelier. Da kommt es bei ihrer Arbeitsweise auf jedes Detail an. „Ich wünsche mir einen Künstlergarten.“ Ein Hingucker sind ihre bunten Stelen zwischen Rosen und Sonnenblumen schon jetzt.

Biografisches

Vita: Dagmar Roos wurde 1949 in Schwaz in Tirol geboren. 1989 bis 1996 studierte sie an der Staatlichen Akademie für Bildende Kunst in Stuttgart. 1997 erhielt sie eine Atelierförderung der Stadt Esslingen sowie ein Arbeitsstipendium im Künstlerhaus Cuxhaven. Die Künstlerin, die mit ihrem Mann und der Familie ihres Sohnes in Hohengehren lebt, stellte in Brüssel, Luxemburg, Bayreuth und weit über Baden-Württemberg hinaus ihre Arbeiten aus. Heute verbringt sie ihre Freizeit am liebsten mit dem Enkel. Wenn sie Ruhe braucht, zieht sie sich nach Innsbruck in die alte Heimat zurück. Ihr Atelier in Hohengehren öffnet sie auf Anfrage Besuchern.

Netzwerke: Im Bund Bildender Künstlerinnen Württembergs mit Sitz in Stuttgart (BBK) ist Dagmar Roos seit langem engagiert. Dort sind rund 100 Künstlerinnen aus Malerei, Bildhauerei, Grafik und anderen Disziplinen engagiert. „Es geht darum, künstlerische Positionen auszutauschen“, formuliert die Malerin eines der Ziele. Auch in der Esslinger Gruppe Artgerechte Haltung Bildende Kunst ist sie engagiert.

www.kunst-sache.de