Nur eine Handybild-Trophäe? Foto: epd/Gerhard Baeuerle - epd/Gerhard Baeuerle

Mit großem Publikumserfolg stellt die Staatsgalerie Stuttgart noch bis Sonntag Banksys Schredderbild „Love is in the Bin“ aus. Eine Expertenrunde äußerte indes vernichtende Kritik.

StuttgartEigentlich wollte er absagen. Denn von Banksys Schredderbild hält Yilmaz Dzeiwor wenig. Es sei „ästhetisch unterkomplex“, meint der Direktor des Museums Ludwig in Köln, der Banksy für keinen relevante Künstler hält. Trotzdem ist Dzeiwor nun nach Stuttgart gekommen zu einer Diskussion in der Staatsgalerie, die die Gemüter erregte. Seit März und noch bis kommenden Sonntag präsentiert die Staatsgalerie Banksys „Love is in the Bin“ in der Sammlung, mal neben Rembrandt, mal bei Duchamp. Nun wollte man Bilanz ziehen, wie sich das Werk in diesem Kontext geschlagen hat. Sich darüber auszutauschen fand Dzweiwor richtig, deshalb ist er gekommen.

90 000 Besucherinnen und Besucher haben sich das Bild in der Staatsgalerie angeschaut, wie Direktorin Christiane Lange vermeldete, das „Pop-Phänomen“ habe gerade auch jüngere „Nichtbesucher“ angelockt. Dass ihr bei dem Abschlussgespräch an einer ernsthaften Auseinandersetzung gelegen war, bewies die Auswahl der Gäste, die Lange gegen sich hatte – bis auf den Moderator Tim Sommer, Chefredakteur des Kunstmagazins ART, der die Runde immer wieder elegant aus einer allzu direkten Frontstellung herausführte.

„Falsche Fragen“

Auch bei Kolya Reichert konnte Lange nicht auf Zustimmung hoffen. „Banksy macht die Kunst flach“, titelte der Kunstkritiker im vergangenen Jahr in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, „und die Staatsgalerie Stuttgart macht gierig mit.“ Auch auf dem Podium hielt er mit Kritik nicht hinterm Berg. Fragen zu Banksy als Marke oder als Skandalwerk, die die Staatsgalerie in einigen Veranstaltungen aufgeworfen hatte, „habe ich nicht verstanden“, sagte er. Es seien die falschen Fragen gewesen.

Überzeugend legten die Gäste dar, dass die Staatsgalerie eine Ausstellung zu Banksy hätte konzipieren sollen, statt „Love is in the Bin“ unkommentiert in die Sammlung zu hängen – und damit zu veredeln und gleichsam dem Kanon einzuschreiben. Man dürfe sich nicht vom Interesse des Publikums leiten lassen, so das Fazit der Gäste, die Worte wie „Kernkompetenz“, „Seriosität“, und „wissenschaftliche Rigidität“ in den Ring warfen und schließlich sogar „Verantwortung“ anmahnten, die Dziewior offensichtlich missbraucht sieht. Christiane Lange konterte – man könne nicht „snobistisch und arrogant sagen: das ist keine Kunst, das darf nicht ins Museum“.

Affront gegen das Publikum

Immerhin: „Für mich ist Kunst interessant, die für mich selbst problematisch ist“, meinte Isabelle Graw, Professorin an der Städelschule in Frankfurt. Auch sie hält „Love is in the bin“ für „unterkomplex“, es lehre aber, dass der Wert eines Werkes nicht in der Kunst selbst stecke, sondern ein „gesellschaftliches Phänomen“ sei. Sie hält Banksy für einen „Unternehmerkünstler“, deshalb stecke in seinem Künstlernamen auch „Bank“. So klug Grew die Thesen des Podiums selbstkritisch hinterfragt, erlaubte sie sich zuletzt einen heftigen Affront gegen das Publikum. Es gebe zunehmend Tendenzen, den Experten zu misstrauen, wie es auch Trump tue, sagte sie – und stellte damit jene auf eine Stufe mit dem US-Präsidenten stellt, die sich ihre eigene Meinung über Kunst bilden, ohne sich ans Expertengängelband nehmen zu lassen.

Gemessen am Applaus lagen die Sympathien an diesem Abend bei Christiane Lange, die sich ungewohnt offensiv als Anwältin der Besucher präsentierte. „Wir müssen für mehr als drei Prozent der Gesellschaft relevant sein.“ Auch wenn sie das Podium gegen sich hatte – das letzte Wort hatte das Publikum: „Ich finde den Ansatz ziemlich cool“, so eine junge Frau. Ihr sei erst durch Banksy klar geworden, was die Staatsgalerie zu bieten hat.

Banksys Schredderbild „Love is in the Bin“ („Liebe ist im Eimer“) ist noch bis Sonntag, 2. Februar, in der Staatsgalerie zu sehen – mit erweiterten Öffnungszeiten von 10 bis 22 Uhr, die auch für die ebenfalls am Sonntag endende Tiepolo-Ausstellung gelten.