„Der WLB können wir die Geschichte anvertrauen“, sagt Ulrich Limmer (re.), Produzent und Co-Autor des Drehbuchs von „Schtonk!“ Auf dem WLB-Szenenbild Martin Theuer (li.) als Fälscher Fritz Knobel und Wieland Backes als Foto: dpa/bul - dpa/bul

Der Wegbereiter des Kult-Films freut sich über die Theaterfassung der Esslinger Landesbühne.

EsslingenDie Esslinger Landesbühne (WLB) macht bundesweit von sich reden: Regisseur Marcus Grube hat Helmut Dietls Kult-Film „Schtonk!“ aus dem Jahr 1992 fürs Theater neu entdeckt. Viele waren gespannt, ob dieses Wagnis wohl gelingen würde – einer hat besonders genau hingeschaut: der Filmproduzent Ulrich Limmer, der damals zusammen mit Dietl das Drehbuch zu dieser hintergründigen Komödie über die gefälschten Hitler-Tagebücher geschrieben hat. Im Gespräch mit unserer Zeitung verrät Limmer, weshalb er die Zustimmung gab, „Schtonk!“ auf die Bühne zu bringen.

Es gibt Filme, die setzen Maßstäbe, und man kann sich nur schwerlich vorstellen, dass sie irgendwann neu inszeniert werden. Fiel Ihnen die Zustimmung leicht, aus „Schtonk!“ ein Theaterstück zu machen?

Ich muss zugeben, dass ich anfangs skeptisch war, weil Theater und Film völlig unterschiedliche Medien sind und weil ich mir nicht vorstellen konnte, wie man die Geschichte auf die Bühne bringen soll, ohne das Drehbuch zu beschädigen. Dass es dazu kam, war das Verdienst von WLB-Intendant Friedrich Schirmer und Regisseur Marcus Grube. Die beiden haben den Kontakt zur Witwe von Helmut Dietl gesucht, der „Schtonk!“ damals verfilmt hat. Wir haben die beiden getroffen und waren sofort sehr angetan von ihrer Begeisterung. Dann hat Marcus Grube eine Theaterfassung geschrieben, die nichts hinzugefügt, aber auch nichts weggenommen hat, worauf wir nicht verzichten wollten. Das hat er mit den Mitteln des modernen Theaters so geschickt gemacht, dass das Herz des Buchs erhalten blieb. Da wusste ich: Der WLB können wir die Geschichte anvertrauen.

Wer an „Schtonk!“ denkt, der denkt an großartige Schauspieler wie Götz George, Uwe Ochsenknecht, Harald Juhnke und Christiane Hörbiger. Besteht nicht die Gefahr, dass das Publikum die Theaterdarsteller an den Filmschauspielern misst?

Diese Sorge hatte ich überhaupt nicht. Es ist eine große Chance für jeden Schauspieler, etwas ganz Eigenes aus seiner Rolle zu machen, wenn er erst mal den Gedanken hinter sich gelassen hat, er müsste die Darsteller, die man aus dem Film kennt, imitieren. Die Bühnenvorlage ist so gut geworden, dass die Gefahr gering ist.

Die Kinobranche giert bekanntlich nach Remakes erfolgreicher Filme. Hätten Sie der Neuverfilmung zugestimmt?

Was sollte man denn bei einer Neuverfilmung anders machen? Man kann dem Stoff nichts Neues hinzufügen, und die Geschichte hat nichts von ihrer Aktualität verloren. Den Versuch, die Nazi-Zeit in einem anderen Licht erscheinen zu lassen, gibt es noch immer – vielleicht sogar noch schlimmer als zu jener Zeit, als die Zeitschrift „Stern“ der Versuchung erlegen ist, Hitler durch seine Tagebücher in menschlicherem Licht erscheinen zu lassen. „Schtonk!“ hat beim Publikum so gut funktioniert, weil die Leute wussten, dass das, was wir erzählen, geschehen war. Wenn wir die Geschichte nur erfunden hätten, hätte uns jeder für verrückt gehalten, weil der Gedanke so absurd ist, dass eine seriöse Zeitschrift Unsummen für angebliche Hitler-Tagebücher ausgibt und gar nicht merkt, dass sie einem Schwindel aufgesessen ist. Wenn es die „Nationalzeitung“ gewesen wäre, hätte sich keiner gewundert, aber so …

Haben Sie die angeblichen Hitler-Tagebücher eigentlich mal gelesen?

Ich durfte sie alle lesen, und einige Passagen kommen ja auch in unserem Film vor. Das waren nur die Highlights – der Rest war blanker Blödsinn. Und keiner hat Verdacht geschöpft, als der angebliche Hitler anlässlich der Eröffnung der Olympischen Spiele schreibt, er hoffe, dass er für Eva Braun ein paar Eintrittskarten auftreiben kann. Das hat keinen stutzig gemacht. Und wissen Sie, was das Schlimmste ist: Ich bin noch nicht mal sicher, ob so etwas nicht auch heute wieder passieren könnte.

Als „Schtonk!“ in die Kinos kam, war die Geschichte in aller Munde. Das ist heute anders: Jüngere werden gar nicht mehr wissen, wie viel Wahres in Ihrem Film steckt. Ist das fürs Theater ein Problem?

Das glaube ich kaum. Das Theaterpublikum unterscheidet sich vom Kinopublikum. Viele von denen, die „Schtonk!“ im Theater anschauen, kennen die Geschichte der gefälschten Hitler-Tagebücher, oder sie haben sich vorher über die Hintergründe informiert. Aber selbst wenn bei diesem etwas sonderbaren Titel nichts klingelt, wird man in dieser Geschichte vieles finden, was von zeitlosem Interesse ist: Die Gier nach der Schlagzeile ist sicher nicht geringer geworden, das Geltungsbedürfnis mancher Vorgesetzter gibt es damals wie heute, und der verzweifelte Wunsch, im Rampenlicht zu stehen und berühmt zu sein, ist vielleicht sogar noch ausgeprägter als damals. Trotzdem sollte man schon wissen, dass das alles nicht erfunden ist, sondern einen sehr realen Hintergrund hat. Erst dann funktioniert die Geschichte so richtig. Wir haben das ja beim Film gesehen: Im Ausland lief „Schtonk!“ nicht schlecht, aber natürlich lange nicht so gut wie in Deutschland, wo jeder die wahre Geschichte kannte.

Mehr als 30 Jahre sind seit dem Film vergangen. Ist es an der Zeit, sich solcher Themen verstärkt wieder anzunehmen?

Das glaube ich ganz sicher. Wenn man sich die Sprüche mancher AfD-Politiker und anderer Vertreter vom rechten Rand anhört, erschaudert man über so viel Geschichtsvergessenheit und Geschichtsklitterung. Wenn man mitbekommt, dass Bundeswehrsoldaten ihre Waffen mit Hakenkreuzen oder den Initialen „AH“ versehen, macht einen das fassungslos. Ich sehe es schon mit Sorge, dass viele inzwischen finden, es müsse genug sein mit der Erinnerung an den Nationalsozialismus und seine Verbrechen. Großartige Filme zu diesem Thema haben nicht mehr die Resonanz wie früher. Vielleicht eröffnet eine Komödie mit ihrem eigenen und sicher nicht weniger ernst zu nehmenden Hintergrund manchen einen anderen Zugang. Wichtig wär’s allemal: Wenn wir manche Äußerungen zur Flüchtlingsproblematik oder Trumps Sprüche hören – all das gedeiht auf demselben Nährboden. Und die Gier, Neues über den Menschen Adolf Hitler zu erfahren, ist ungebrochen.

Kann eine Komödie wie „Schtonk!“ nachdenklich machen und sensibilisieren?

Das ist auf jeden Fall unsere große Hoffnung – und es wäre auch bitter nötig, dass mancher wieder sein Bewusstsein schärft und sich klarmacht, dass wir alle miteinander wachsam sein müssen. Wir dürfen es uns nicht so leicht machen, Hitler zu dämonisieren und damit einer anderen Gattung Mensch zuzuordnen, der wir hilflos erliegen mussten. Er war einer von uns, so wie es viele andere gibt, die böse, kriminell und unmenschlich sind. Manche hätten ihn am liebsten zu einem Hexenmeister gemacht, der sein Volk verführt hat. Dann könnten sie sich leichter aus der Verantwortung stehlen.

Ist eine Komödie überhaupt die richtige Gattung, um nachdenklich zu machen?

Wir Deutschen machen gerne den Fehler, Komödie mit Lustspiel zu verwechseln. „Schtonk!“ war so erfolgreich, weil der Film es geschafft hat, unterhaltende Elemente mit ernsthaften Anliegen zu verbinden. Richtig gute Komödien haben immer einen sehr ernsten Hintergrund.

Heute kann man Komödien über Hitler drehen – als „Schtonk!“ in die Kinos kam, war das noch ein ziemliches Wagnis ...

Für uns gab es damals tatsächlich keine Vorbilder, an denen wir uns orientieren konnten. Über Hitler zu lachen, auch wenn man ihn sehr ernst nahm, war verpönt – nicht nur bei uns. Wir haben bewusst Neuland betreten. Andere sind uns dann nachgefolgt, als sie gesehen haben, dass man das wagen kann, ohne von der Kritik verrissen und vom Zuschauer verschmäht zu werden. Aber ein Wagnis war das damals allemal – und ein Risiko, weil „Schtonk!“ ein sehr teurer Film war. Das hätte auch ganz anders ausgehen können.

Das Interview führte Alexander Maier.

Der Drehbuchautor und sein Film

Ulrich Limmer wurde 1955 geboren und studierte an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) in München. Jahrelang arbeitete er bei der Bavaria, ehe er 1999 Geschäftsführer der Kinowelt Filmproduktion GmbH in München wurde. 2002 gründete Limmer die Collina Filmproduktion GmbH, deren Inhaber und Geschäftsführer er bis heute ist. Als Drehbuchautor hat er sich unter anderem mit Filmen wie „Das Sams“ oder Helmut Dietls Komödie „Schtonk!“ einen Namen gemacht. Sein Wissen gibt er als Professor unter anderem an der HFF auch an den Nachwuchs weiter.

„Schtonk!“ ist eine satirische Filmkomödie des Regisseurs Helmut Dietl, die 1992 in die Kinos kam und den Skandal um die angeblichen Hitler-Tagebücher thematisiert, die die Zeitschrift „Stern“ 1983 veröffentlicht hatte und die sich später als Werk des Stuttgarter Kunstfälschers Konrad Kujau herausstellten. Das Drehbuch zu „Schtonk!“ hatte Dietl zusammen mit Ulrich Limmer geschrieben. Der Film wurde zu einem Riesenerfolg, weil er die Geschichte der falschen Hitler-Tagebücher geschickt persifliert und sich trotzdem sehr eng an den tatsächlichen Ereignissen orientiert.