Alicia Amatriain und Friedemann Vogel in „Onegin“. Foto: Stuttgarter Ballett - Stuttgarter Ballett

Echte Tränen; John Crankos „Onegin“ hatte in der neuen Verfilmung des Stuttgarter Balletts Kinopremiere.

StuttgartAn die 600 Mal wurde dieses Ballett in Stuttgart gezeigt – da sollte man meinen, dass es so ziemlich jeder, den es interessiert, gesehen hat. Aber der Saal im Metropol-Kino ist rappelvoll bei der Premiere der neuen „Onegin“-Verfilmung. 45 Jahre nach der ersten, seit Jahrzehnten nicht mehr im Fernsehen gezeigten Aufzeichnung von John Crankos Ballett gibt es jetzt eine zweite, die erst im Kino, dann im Fernsehen gezeigt wird und irgendwann auch auf DVD zu kaufen sein soll.

An die 20 Kinos in ganz Deutschland zeigten Friedemann Vogel und Alicia Amatriain in den beiden Hauptrollen, aufgezeichnet wurde Crankos bekanntestes Werk im Herbst vergangenen Jahres im Stuttgarter Opernhaus. Auch wenn die Kamera in Michael Beyers Regie den Solisten anfangs ein wenig zu nah auf den Leib rückt, beeindrucken die Nahaufnahmen der beiden Protagonisten – etwa wenn Onegin nach dem tödlichen Duell mit seinem Freund tatsächlich Tränen in den Augen hat. Nachdem es mit der „Romeo“-Aufzeichnung wegen einer Verletzung nicht geklappt hatte, ist Stuttgarts Superstar Friedemann Vogel in dieser zentralen Rolle nun endlich für die Nachwelt verewigt. Mächtig beeindruckend sieht etwa sein Auftritt durch den Spiegel aus. Nicht nur das nuancierte Schauspiel der Stuttgarter Tänzer in dem weltweit gefeierten Signaturstück der Kompanie, auch die Energie des Corps de ballet ist in der Aufzeichnung spürbar. Und was für ein bewegender Moment, wenn Crankos erste Tatjana Marcia Haydée, die einst verliebt träumend in ihrem Himmelbett lehnte, nun in derselben Szene als liebenswerte Amme hereinwackelt und eine junge Tatjana in den Schlaf schickt. In weiteren Rollen sind Elisa Badenes, David Moore und Jason Reilly zu sehen.

Bis auf ein merkwürdig lilafarbenes Licht in den Traumszenen leuchtet Jürgen Roses Ausstattung wie gewohnt in ihren russisch getönten Braun- und Grüntönen. Für immer verewigt ist nun auch der Grammatikfehler, der seit über 50 Jahren auf dem Stuttgarter „Onegin“-Vorhang prangt: „Quand je n’ai pas honneur, il n’existe plus d’honneur“ („Wenn ich keine Ehre habe, dann gibt es keine Ehre mehr“). Andernorts wurde der Satz berichtigt („Quand je n’ai pas d’honneur“). Aber Cranko wollte ihn auf dem Vorhang haben, so erzählt Jürgen Rose, und genau so steht er da noch heute.

Die Kinothek in Obertürkheim zeigt die Aufzeichnung nochmals am Mittwoch und Sonntag dieser Woche. Am 16. Dezember ist „Onegin“ auf Arte zu sehen.