Treffen auch das hohe C der Emotionen (von links): Luigi Scarano, Michael Hiller und Theodor Reichardt. Foto: Sabine Haymann Quelle: Unbekannt

Von Petra Bail

Stuttgart - Das größte Konzert steht an, das Paris je gesehen hat. Gleich drei Startenöre hat Impresario Henry Saunders für diesen Meilenstein in der Operngeschichte an der Angel. Alles ist unter Anspannung, denn jeder weiß, Tenöre sind nicht nur für dramatische Heldenrollen geboren, sie sind auch Diven: hedonistisch, eitel, streitbar und eifersüchtig bis aufs Blut. So das Klischee, aus dem der amerikanische Musical- und Komödienautor Ken Ludwig im Lustspiel „Das Geheimnis der drei Tenöre“ ein Vexierspiel der Emotionen entwickelt hat. Die Komödie mit Opern-Anklängen hatte jetzt in der Komödie im Marquardt Premiere.

Freunde gängiger Opern-Arien kommen durch ganz beachtliche Live-Einlagen ebenso auf ihre Kosten wie Anhänger der leichten Unterhaltung. Hier darf man sich getrost zurücklehnen, herzhaft lachen, ohne anzuecken. Nur konzentriert sollte man sein, damit man den roten Faden der gefühlswallenden Verwicklungen nicht verliert, die immer wieder ein anderes Muster aufzeigen. Alle paar Minuten ergeben sich neue zwischenmenschlichen Konstellationen, leidenschaftliche Abgründe von dramatischen Missverständnissen drohen die Tenöre samt ihrer Entourage zu verschlingen. So zündet eine Eskalationsstufe nach der anderen. Für den Zuschauer, immer einen Schritt weiter als das Bühnenpersonal, sind die Irrungen und Wirrungen ziemlich vorhersehbar. Da Ulf Dietrich die Farce aber in so schnellem Tempo inszeniert hat und die Figuren ziemlich auf Trab hält, ist das vermeintliche Bäumchen-wechsel-dich-Spiel doch sehr amüsant.

Drei Stunden vor dem musikalischen Großereignis im Paris der Dreißigerjahre: In einem Luxushotel, das - Weltwirtschaftskrise hin oder her - die gediegene Eleganz der Upperclass ausstrahlt, überschlagen sich die Ereignisse. In Martina Leberts stilisiertem Art-déco-Ambiente warten Impresario Henry Saunders (Axel Weidemann) und sein Assistent Max (Theodor Reichardt), der nicht nur sein Schwiegersohn ist, sondern von ihm die Chance als Opernsänger erhält, auf die beiden anderen Klassikstars. Der schwedische sagt kurzfristig ab, der italienische steckt in der Krise. Das hohe C knödelt. Tenor Tito Merelli spürt das Alter. Spätestens jetzt dämmert die Ähnlichkeit mit dem Mythos lebender und verstorbener Personen. Einst umschwärmt und vergöttert, zeigt sich Tito empfindsam auf Publikumsreaktionen und zitiert rollengerecht Arienphrasen. „Die Sterne verblassen, die Lichter gehen aus“, erkennt die leidgeprüfte Ehefrau (Michaela Kametz) sofort die Puccini-Anspielung und ordnet den dramatischen Ausspruch „Ich kann nicht leben ohne Respekt und Ehre“ der klassischen Drama-Queen „Madame Butterfly“ zu. Maria ist die wahre Heldin der Geschichte. Sie bringt Verständnis für die Kapriolen des Gatten auf und schafft es nonchalant, Begeisterung zu entwickeln, wenn sich der stattliche Bauch Titos über die Hose wölbt.

Die Fetzen fliegen filmreif, schließlich sind beide temperamentvolle Italiener mit entsprechendem, aber überflüssigem Akzent. Saunders dankt den Göttern der Marktwirtschaft, als Carlo Nucci auftaucht. Der hoffnungsvolle Nachwuchstenor springt für den schwedischen Kollegen in die Bresche, außerdem heimlich mit Titos Tochter Mimi ins Bett und wird, typisch junger Tenor-Kraftprotz, auch für Marias Liebhaber gehalten. Schließlich nehmen die russische Sopranistin Tatiana Racon und der singende Hotelpage Beppo schwungvoll auf dem sich immer schneller drehenden Liebeskarussell Platz. Tatjana war einst die Geliebte Titos. Beppo hat nicht nur das hohe C drauf, er sieht ihm zum Verwechseln ähnlich (Michael Hiller vollführt in der Doppelrolle einen beachtlichen Spagat) und nutzt die Gunst der Stunde, zum Vergnügen des Publikums, weidlich aus. Am Ende sind die amourösen Animositäten selbst dem Dirigenten zu viel. Leonard Bernstein will den ganzen Bettel hinschmeißen. Max reagiert souverän bei aller Hysterie, dämpft die Gemüter und sorgt für Aufklärung. Wie es sich gehört in einer ordentlichen Verwechslungskomödie, bekommt am Ende jeder Topf sein Deckelchen und der Musikagent ein Konzert mit vier Tenören und einer Sopranistin.

Vorstellungen täglich außer montags bis 19. November.