Von Verena Großkreutz

Stuttgart - Ein Ort in charmantem Industrie-Ambiente: Im Cannstatter Club Wizemann treten vorwiegend deutsche Hip-Hopper und Gangsta-Rapper, Stoner-Doom- und Dark-Wave-Bands auf. Aber er eignet sich durchaus auch für die unkonventionelleren Konzerte des Musikfests. Die Reihen waren jedenfalls gut gefüllt, als die Wände so sanfte Klänge wie sonst nie zu reflektierten. Meditative Barock- und filigrane neue Kammermusik stand auf dem Programm. Zwei Ensembles saßen nebeneinander auf der Bühne: links das Freiburger BarockConsort (eine Mini-Streicher-Besetzung des Freiburger Barockorchesters), rechts das Ensemble Recherche.

Im Mittelpunkt stand ein Phänomen der englischen Musik. Im 16. und 17. Jahrhundert hatten sich Komponisten in eine Passage aus einer Messe von John Taverner verliebt: in die Vertonung der Worte „in nomine domini“ (im Namen des Herrn). Aus diesem vierstimmigen Satz erwuchs eine regelrechte Mode: Man versuchte sich gegenseitig darin zu übertrumpfen, aus der Vorlage originelle Musik für Streicher-Consorts zu kreieren. Nun trafen aber in der damaligen Musik die Kontraste noch nicht so wild aufeinander wie später. Wenig Abwechslung war deshalb von den gut zwei Dutzend aufgeführten „In nomines“ zu erwarten. Und tatsächlich gerieten die Alte-Musik-Beiträge recht eintönig, zumal die fünf Interpreten vor allem den melancholischen Charakter der kurzen Stücke herausstrichen - ob sie nun von William Byrd, Thomas Farmer oder Christopher Tye stammen. Sogar in jenen des kontrastbegabten Purcell wurden die Augenlider immer schwerer.

Das für Modernes zuständige Ensemble Recherche hatte die aufgeweckteren Stücke zu spielen. Denn die alte In-nomine-Mode inspirierte auch die Komponisten unserer Zeit. Witzig etwa Gérard Pessons Übermalung des Taverner-Originals: Im wieder stören dunkel eingeworfene Klaviertöne und hässliche Geräusche die barocke Ruhe. Brian Ferneyhough dagegen überführt das In-nomine-Thema in ein explosives und lebhaft parlierendes Bläsertrio. Und Bryn Harrison lässt in seinem „In nomine. After William Byrd“ die zunächst klaren Konturen immer mehr zerfließen, bis sie farbig ineinander verquirlen. Das Publikum zum Kichern brachte Wolfgang Rihms ultrakurzer „Cantus Firmus“: wenige zackige Klänge und Paukenschläge, zerrissen durch Pausen. Pointiert auch Birke Bertelsmeiers uraufgeführtes „rundheraus“ - nervös pulsierend, tänzerisch, schön. Schade nur, dass die beiden Ensembles nicht einmal eine Zugabe zusammen spielten.