Die Forschung über Hakenkreuz und Reichsadler hat Eberhard Jäckel zeitlebens beschäftigt. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Oliver Schmale

Stuttgart -Der Historiker und Holocaustforscher Eberhard Jäckel ist im Alter von 88 Jahren in seiner Wahlheimat Stuttgart gestorben, wie die Universität Stuttgart gestern mitteilte. Der Wissenschaftler trug einen besonderen Teil dazu bei, dass die Erinnerung an die Verbrechen der Nazis nicht verdrängt wird. Bei Kriegsende war Jäckel 16 Jahre alt. Er habe wissen wollen, wie es zu alldem hatte kommen konnte, beschrieb er einmal seine persönliche Initialzündung.

Mit dem Tod Jäckels verliere die Bundesrepublik einen ihrer engagiertesten und wirkungsvollen Streiter für die Erinnerung, teilte die gleichnamige für das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin zuständige Stiftung mit. Der Vorsitzende des Kuratoriums, Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), sagte: „Das bürgerschaftliche Engagement Jäckels wurde von der Politik, die die Pflege der Erinnerung an den Holocaust als staatliche Aufgabe begriff, aufgenommen.“

Der anerkannte Wissenschaftler wurde am 29. Juni 1929 im niedersächsischen Wesermünde geboren. Jäckel studierte Geschichte, klassische Philologie und Öffentliches Recht in Göttingen, Tübingen, Freiburg, Gainesville (Florida) und Paris. 1955 promovierte er in Freiburg und habilitierte sich 1961 mit einer Arbeit über Hitlers Frankreichpolitik an der Universität Kiel.

Nachfolger von Golo Mann

Seit 1967 lehrte Jäckel in der Nachfolge von Golo Mann als Professor für Neuere Geschichte an der Universität Stuttgart und blieb dieser Universität bis zu seiner Emeritierung 1997 treu.

Jäckel habe internationale Reputation genossen, erklärte Wolfram Pyta. Er hatte den Stuttgarter Lehrstuhl von dem Wissenschaftler übernommen. „Eberhard Jäckel war einer der ersten Historiker, der es verstanden hat, in Zusammenarbeit mit dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen die Schattenseiten der deutschen Geschichte darzustellen.“

Politisch engagiert, meldete sich der Historiker immer wieder zu Zeitfragen und Problemen der Neueren Geschichte zu Wort. Er suchte dazu nicht selten den Weg auf den TV-Schirm und als streitbarer Gast auch in die Talkshows. Ob Beutekunst oder Zwangsarbeiter-Entschädigung, Historikerstreit oder Holocaust-Mahnmal: Jäckel war ein ebenso kompetenter wie gerne gesehener Gast in aktuellen Diskussionsrunden. Für sein Engagement und seine Verdienste erhielt Eberhard Jäckel unter anderem das Bundesverdienstkreuz und den Geschwister-Scholl-Preis. 1967 war Jäckel in die SPD eingetreten, 1968 engagierte sich der Historiker in der Wählerinitiative für Willy Brandt, seit 1974 war der Wissenschaftler Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland.

Die Aufarbeitung des Holocaust war das Hauptforschungsthema des Stuttgarter Historikers, der mit seinem 1969 erschienenen Buch „Hitlers Weltanschauung“ ein Standardwerk vorlegte. Darin wies er nach, dass der NS-Diktator früh formulierte, was er dann auch in die Tat umsetzte. Jäckels Band „Frankreich in Hitlers Europa: die deutsche Frankreichpolitik im 2. Weltkrieg“ ist auch heute noch das einschlägige Buch zur deutschen Frankreichpolitik im Zweiten Weltkrieg.

Auf der anderen Seite war seine Quellensammlung „Hitler. Sämtliche Aufzeichnungen 1905-1924“ von 1980 mit dem Manko behaftet, dass unter insgesamt 694 Urkunden 76 Fälschungen von Konrad Kujau Eingang fanden - das entspricht vier Prozent des Bandes. In der Affäre um die vermeintlichen Hitler-Tagebücher, die ihm ebenfalls angeboten worden waren und die er anfangs für authentisch hielt, trat der Historiker als Zeuge auf.

Zusammen mit der Journalistin Lea Rosh drehte Eberhard Jäckel die mehrteilige Dokumentation „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“. Jäckel machte sich zusammen mit Rosh zugleich für die Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas in Berlin stark.

Besuchermagnet in Berlin

Das weltbekannte Denkmal nach einem Entwurf von Peter Eisenman wurde im Mai 2005 eingeweiht. Es geht auf einen Beschluss des Bundestags von 1999 zurück. Es erinnert an den millionenfachen Mord im Nationalsozialismus. Das Mahnmal mit 2700 Betonstelen zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz ist eines der meistbesuchten Denkmäler in Berlin. In einem „Ort der Information“ werden unter dem Mahnmal die wichtigsten Stationen des Holocaust für die Besucher am Beispiel von Einzelschicksalen dargestellt.