Von Thomas Krazeisen

Stuttgart - Nein, er muss fürwahr nicht allein seinen Weg gehen. Als Helmut Lotti die ersten Zeilen der Hymne „You‘ll never walk alone“ anstimmt, ist von ihm auf der Bühne des fast ausverkauften Beethovensaals erst einmal weit und breit nichts zu sehen. Stattdessen taucht der Sänger wie aus dem Nichts in der Saalmitte auf. Ein Bild mit Symbolcharakter: Als sei er nie weg gewesen, schlendert der belgische Tenor durch die Saalreihen Richtung Bühne zu seinem Golden Symphonic Orchestra, das mit exzellenter Klangkultur seinem Namen an diesem Abend alle Ehre macht. Dabei haben die Fans mehr als sieben Jahre auf diesen Augenblick warten müssen. So lange ist’s her, dass der sympathische Star das letzte Mal in der Liederhalle - damals im kleineren Hegelsaal - auftrat. Nun ist er auf der großen Bühne zurück. Und er scheint diesen Stuttgarter Comeback-Auftritt, der sich krankheitsbedingt um ein paar Monate nach hinten verschob, ganz offensichtlich zu genießen.

Augenzwinkernd bekennt sich Lotti zu seinem neuen Look mit schütterem Kurzhaar: „Früher sah ich aus wie Dean Martin, jetzt wie Vladimir Putin - Nastrovje!“: Immer wieder prostet er dem Publikum gut gelaunt zu, während er zum Wasserglas greift. Es ist warm im Saal, die Luft trocken. Kein Wunder, Lotti heizt mächtig ein, wirkt im eleganten Anzug bewegungsfreudig und stimmlich agil wie eh und je. Und Lotti kann mit einem Riesenrepertoire seiner mehr als 25-jährigen Karriere aus dem Vollen schöpfen. Kaum eine Stilrichtung, die der Crossover-Spezialist nicht perfekt beherrscht. In Stuttgart präsentiert der Künstler, der vor wenigen Tagen seinen 48. Geburtstag feierte, einen bunten Wohlfühlmix aus Pop und Rock, Swing und Klassik, Volkslied und Gospel. Für den Beatles-Evergreen „Hey Jude“ geht er kurz vor der Pause wieder ins Parkett hinab, die „lieben Damen und Herren“ dürfen abwechselnd den Refrain singen. „Bohemian Rhapsody“ und „Bridge over troubled water“ interpretiert Lotti mit trefflichem Timbre, auch den Cohen-Hit „Hallelujah“ zelebriert er mit viel Herz. Überhaupt hat er Titel mit Tiefgang und religiösem Inhalt gewählt - Glaube, Hoffnung und Liebe sind die großen Themen seines Comeback-Albums, aus dem er auch eigene Titel singt wie „Make believe“ oder eben „Faith, hope and love“. Sein Herz schlägt freilich noch immer vor allem für den King of Rock’n’Roll, wie Helmut Lotti in der zweiten Konzerthälfte und einem fulminanten Elvis-Zugabenmedley unter Beweis stellt.