Gebändigte Energie: Gert Riels „Flächenspannung“ von 2019. Foto: Eberle - Eberle

Er stetzt Stahl unter Spannung: Die Skulpturen des Künstlers erzählen von Anstrengung, dem Ausloten von Grenzen und unbändiger Energie.

OstfildernGert Riel trotzt dem Material Äußerstes ab. Er biegt Stahl und gürtet ihn. Alles in seinen Skulpturen ist Spannung pur. Und neben das Spröde und Kantige setzte er das Glatte und Runde. An den Wänden finden sich glänzend lackierte, blank polierte Flächen in leuchtendem Gelb etwa oder raumgreifende, aufgefächerte Elemente. In der Ausstellung „Umformungen“ in der Städtischen Galerie Ostfildern zeigt Riel, dass in allem auch etwas anderes stecken kann. Dass sich alles miteinander verändert: Das Schwere wird leicht, das Leichte bekommt Gewicht.

Mitten im großen weißen Raum der Galerie biegen sich zwei Platten aus schwarzem Stahl – tänzerisch, elegant, schön. Brachial anmutende Kraft steckt hinter den Biegungen, das scheinbar Unbeugsame wird von Riel mit Willen und Kalkül umgeformt. Nur dünne, farbige Bänder halten diese „Flächenspannungen“ in der vom Künstler vorgegebenen Form, sie scheinen zum Zerreißen gespannt, mehr geht nicht. Die Platten streben zu ihrer gewohnten Form, zur Fläche, zurück, denn auch gebogen bleiben sie eigentlich Fläche. Die Energie dieser Riesenfedern ist zwar gebändigt, aber präsent. Die Oberfläche hingegen wirkt edel und klar, sie empfängt das Licht, gibt ihm eine samtene Sanftheit, nur die Kanten brechen es.

Durch Lichteinfall und Spiegelung verändern die Objekte sich und den Raum. Denn aus jedem Blickwinkel reflektiert sich die Welt ein wenig anders. Und immer baut Riel Brüche in seine Arbeiten ein. Hinter dem Hochglanz und der Perfektion steckt das Geheimnisvolle, ein Schnitt, eine Narbe, eine Asymmetrie. So bergen auch jene beiden scheinbar lapidar gebogenen Platten einen besonderen Gehalt: Sie stellen Fragen nach Sicherheit angesichts ungeheurer Kraft, nach dem Ausloten von Grenzen.

Metalle interessieren den 1941 geborenen Riel schon seit Jahrzehnten, leichte und schwere, weiche und harte, im Großformat und im Kleinen. Seit etwas mehr als zehn Jahren benützt er auch Farbe. In knallendem Rot greifen die Formen einer vielteiligen Arbeit mit gefalzten Armen nach der Fläche und dem Raum. Als „Schwarm“ mäandert das über die große Wand der Galerie. Und in der Bewegung steckt immer schon die Gegenbewegung, denn wie bei einem Schwarm von Fischen oder Vögeln scheint hier eine leichte Irritation auszureichen, damit sich alles dreht und wendet.

„Veränderung“ nennt Riel Arbeiten in Hellblau, Pink, Gelb, Rosa oder Weiß. Auch sie sind mehrteilig und sich meist auch ähnlich: matt oder glänzend, konvex oder konkav, voller Kontraste und allesamt formvollendet. Dennoch ist jede „Veränderung“ individuell, erzählt quasi eine andere Geschichte. Die „Raumzeichen“ wiederum fangen den Raum ein wie Hohlspiegel, konzentrieren die Umgebung, strukturieren sie mit Farbflächen und Formen.

Riels Arbeiten stehen in der Tradition konkreter Kunst. In ihrer geometrischen Konstruktion materialisieren sie das Geistige. Aber zugleich erzählen diese Umformungen von Spannung, Anstrengung und unbändiger Energie.

Bis 25. Juni. Öffnungszeiten: dienstags und donnerstags 15 bis 19 Uhr, samstags 10 bis 12 Uhr, sonntags 15 bis 18 Uhr. Am Ostermontag und am Pfingstmontag von 15 bis 18 Uhr geöffnet. An den übrigen Feiertagen und am 20. April geschlossen.