Die Rollen wechseln Foto: Martin Sigmund - Martin Sigmund

Der Komponist Georges Aperghis, der stark von musikalischen Querdenkern wie John Cage und Mauricio Kagel beeinflusst wurde, hat den Märchenstoff in eine Art Crash-Kurs für Neue Musik verwandelt: gut durchdacht und konsequent umgesetzt mit etlichen Rollenwechseln, aber auch eine Kopfgeburt eines Erwachsenen, obwohl das Stück sich an Kinder ab sechs Jahren richtet.

StuttgartDas Märchen vom Rotkäppchen kennt wohl jedes Kind. „Großmutter, warum hast du so große Zähne?“, fragt es seine (vermeintliche) Oma, nachdem es sich zum Wolf ins Bett gelegt hat. Was folgt, ist bekannt, doch geht es ja am Ende gut aus – allerdings nur in der Fassung der Brüder Grimm. In der 1697 veröffentlichten Vorlage von Charles Perrault bleiben beide – das Mädchen und seine Großmutter – vom Wolf verschlungen. Bei ihm diente das Märchen zur Abschreckung.

Diese Urfassung hat der Komponist Georges Aperghis für seine Musiktheaterversion von „Rotkäppchen“ verwendet, die nun für Zuschauer ab sechs Jahren bei der Stuttgarter Jungen Oper – dem Jugendprojekt der Staatsoper – im Nord Premiere hatte. Sechs Musiker (Olga Wien und Markus Hein am Klavier, Andrea Nagy und Adam Ambarzumjan an der Klarinette, Mark Lorenz Kysela am Saxofon sowie Lisa Kuhnert, Violine) sind daran beteiligt, die allesamt auch szenische Aufgaben haben und diese Doppelfunktion bewundernswert souverän ausfüllen.

Denn allein die Musik des Griechen Aperghis, der stark von musikalischen Querdenkern wie John Cage und Mauricio Kagel beeinflusst wurde, ist alles andere als simpel. Tonale Strukturen, Kindermusik gar sucht man hier vergebens, dafür hört man das gängige Klangvokabular Neuer Musik einschließlich erweiterter Spieltechniken – die hier freilich unterhaltsam eingesetzt werden, wenn sich etwa zwei Bassklarinetten zuprusten.

Was die dramaturgischen Mittel betrifft (Regie: Elena Tzavara und Guillaume Hulot), so könnte man das Stück als Vorbereitungskurs für Kinder zur Rezeption zeitgenössischer Theaterformen sehen. Die Geschichte wird nicht linear erzählt, vielmehr werden Bausteine des Perrault’schen Textes mehrfach in verschiedenen Konstellationen wiederholt, wobei die Akteure immer wieder die Rollen tauschen. Die Grenzen zwischen Musizieren und Bühnenaktion sind dabei weitgehend aufgelöst, und dieser nicht illusionistischen Grundhaltung entsprechen auch die Kostüme: Ein bärtiger Brillenträger wird da zum Rotkäppchen, indem er sich ein rotes Tuch um den Kopf wickelt. Der Wolf trägt ein silbern glitzerndes Cape wie aus einer Fernsehshow; das soll wohl Verführung symbolisieren.

Das ist alles gut durchdacht und konsequent umgesetzt. Was dem Stück aber schmerzlich fehlt und was Kinderstücke dann doch haben sollten, sind Spannung und Witz. Zwar gibt es ein paar halbwegs lustige Szenen, an denen dann auch dankbar gelacht wird. Insgesamt aber überwiegt der Eindruck, dass sich hier Erwachsene etwas ausgedacht haben, was Kindern gefälligst gefallen soll. Vielleicht hätte man die vorher fragen sollen.

Weitere Vorstellungen 7., 16., 21., 22., 24. und 28. Mai, jeweils 11 Uhr; 18. und 26. Mai, jeweils 15 Uhr.