Von Dietholf Zerweck

Ludwigsburg - Am Anfang ist die Welt noch in Ordnung: Die Stühle auf der leeren Bühne sauber postiert, wohlig klingt Franz Liszts „Liebestraum“ aus dem Off, ein bunter Clown mit Trompete am Arm streut Rosenblätter ins Parkett. Doch wenn seine Kollegen von Mnozil Brass aus den Kulissen treten, wechselt die Stimmung. Chaos bricht aus, brillant fetzen sich die über die Bühne taumelnden Bläser Motive aus Schostakowitschs Oper „Die Nase“ um die Ohren. Zwei Markenzeichen des Wiener Musik-Comedy-Septetts sind schon in den ersten Minuten ihrer neuen Show, die bei den Ludwigsburger Festspielen Deutschlandpremiere feierte, offensichtlich: der abrupte Szenenwechsel und der feine, hintersinnige Humor der exzellenten Bläservirtuosen.

Konfusion, aber auch Staunen und Zauberei haben sich die Musiker für das Programm mit dem Titel „Cirque“ ausgedacht. Zum Zither-Ohrwurm aus dem Film „Der dritte Mann“ tritt Roman Rindberger in Frack und Zylinder als Magier an die Rampe, klamaukig wird es dann beim steppenden Beineschwenken oder dem pantomimische Servietten-Sketch mit Robert Rother als Bistro-Gast zu „C’est si bon“. Nicht alles läuft aber so einfallsreich ab wie der Musette-Walzer „French Kisses“ von Mnozil-Brassist Leonhard Paul, der den traurigen Harlekin so gekonnt mimt, dass man seine Künste auf der Basstrompete und Posaune fast vergessen könnte. Den einfältig-fröhlichen Gegen-Clown gibt Rother. Zu einem Haydn-Satz legen die Beiden nach einer Nonsense-Pantomime eine eckige Tangosohle aufs Parkett, bevor eine genial dekonstruierte „Fledermaus“-Ouvertüre in Balkan-Bonanza mündet.

Anders als bei früheren Festspiel-Auftritten mit „Yes Yes Yes“ ist in „Cirque“ der Witz direkt aus der Musik heraus entwickelt. Zu „Citizen Cane“ steigt Gerhard Füßl mit Cop-Mütze und Pfeife auf den Stuhl und kommandiert die sechs Bläser wie im Großstadtgewühl über die Bühne, zu Stings „Saint Agnes and the Burning Train“ gibt es eine rührende Seifenblasen-Nummer der beiden Clowns. Als „Mister Sandman“ in der Bearbeitung von Leonhard Paul als Vokalquartett über die Bühne marschiert, johlt das Publikum im ausverkauften Ludwigsburger Forum vor Begeisterung. Zum Dahinschmelzen schön unmittelbar danach Gustav Mahlers „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ - wobei der traurige Clown erst seine Basstrompete nicht findet, dann aber selig und in allen chromatischen Windungen zum Himmel bläst. Zuviel Klamauk setzt es mit dem Tubaisten Wilfried Brandstötter als Underdog beim „Tiger Rag“, wo er dem Posaunisten Zoltan Kiss am Boden krabbelnd hinterher hechelt. Von höchster Brillanz dafür Jimmy Giuffres „Four Brothers“ als Big Band Jazz vom Feinsten, angeführt von Thomas Ganschs Wundertrompete. Vor den spektakulären Zugaben legt Leonhard Paul noch eine akrobatische Luftnummer hin, mit Händen und Füßen in den Trompeten- und Posaunengestängen seiner Mitspieler hängend. Toll.

Am 13. Juli gibt es in Ludwigsburg eine zweite Vorstellung von „Cirque“.