Beherrscht mühelos den Spagat zwischen Ungarnfolk und Klassik: Roby Lakatos beim Konzert auf dem Klett-Firmengelände. Foto: Holger Schneider Quelle: Unbekannt

Von Verena Großkreutz

Stuttgart -Roby Lakatos gehört zu jenen Geigern, von denen man meinen könnte, sie seien mit der Geige unterm Kinn und Csárdás spielend auf die Welt gekommen, so lässig, natürlich und traumwandlerisch, so rasant und fetzig ist sein virtuoser Zugriff. Da werden aus 16tel-Noten bald schon 128tel, quecksilbrig zischen einem die Läufe um die Ohren, leicht und spritzig sind die improvisierten Eskapaden, Verzierungen und Umspielungen. Pizzicati zupft der Ungar gleich mit drei Fingern - mit dem Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand imitiert er weiche Mandolinen-Tremoli, mit dem Ringfinger der Griffhand reißt er zackig die Saiten an. Aus dunkel-melancholischen, träge-expressiven Melodien heraus switcht er blitzschnell um, bereit zu einer wahren Csárdás-Explosion, in die sein Ensemble punktgenau einsetzt. Ja, Lakatos, der Spross einer ungarischen Roma-Musiker-Dynastie, den so manch einer „King of Gypsy Violinists“ nennt, kann’s - und seine fünf Musikerkollegen auf der Bühne auch.

Kühl ist‘s, doch Lakatos heizt ein

Da zeigte sich das Publikum schwer beeindruckt im Stuttgarter Westen, wo Lakatos und sein Ensemble im Innenhof des Klett-Firmengeländes unter freiem Himmel auftraten. Es war der erste Abend der vierteiligen Musikfest-Reihe „Unternehmen Musik“, bei der die Veranstaltungen auf dem Gelände ortsansässiger Unternehmen respektive Sponsoren der Bachakademie stattfinden. Kalt war’s, das Publikum bibberte. Aber als der kugelbäuchige, schnurrbärtige und pudellockige Teufelsgeiger im buntscheckigen Jackett den schönen Barbra-Streisand-Song „Papa, can you hear me“ aus dem Film „Yentl“ intonierte und den wolkenverhangenen Piazzolla-Tango „Oblivion“ mit Portamento-Schmelz in die Gehörgänge butterte, da wurde es dem Publikum gewiss viel wärmer. Der Spagat zwischen Ungarnfolk, Klassik, Gypsy-Jazz und Filmmusik gelingt Lakatos als einem auch klassisch ausgebildeten Geiger mit links. Das machen die Mitmusiker leidenschaftlich gerne mit: Kálmán Cséki etwa, der Pianist, der einen fein eingefärbten, wohltönenden Klangteppich beisteuerte und in luzide Skalenschleifen nonchalant Jazz-Akkorde hineinschlenzte. Und nicht zu vergessen die euphorischen Eskapaden des grandiosen Cymbalom-, also Hackbrett-Spielers Géza Jónas. Oder der zweite Geiger Lászlo Bóni, der mit Lakatos auch mal im Bach-Stil um die Wette improvisierte: ein wahres Genusskonzert.

Allerdings war der Sound bedenklich. Klar: Openair-Konzerte müssen wohl elektronisch verstärkt werden. Aber muss Roby Lakatos’ Geige in der Höhe deshalb so derart schrill schreien? Und muss in der „Hora di Marrakchi“, wo sich die virtuosen Stimmen aller sechs Musiker im rasanten Tempo ineinander verquirlen, ein derartiger Klangbrei entstehen? Ebenso eindimensional der Sound im großen, auch witzig Beethoven zitierenden Cymbalom-Solo des bestens gelaunten Geza Jonas, in dem die Elektronik vor allem den charmant blechernen Grundklangcharakter des Hackbretts verstärkte.

Tücken des Sounds

Das war schade, vor allem auch angesichts der Bedeutung, welche die Reihe „Unternehmen Musik“ offenbar besitzt, von der die Bachakademie selbst sagt, sie sei neben den „Sichten auf Bach“ das „Rückgrat“ des Musikfests Stuttgart. Wenn freilich die Ortswahl auf Kosten der Klangqualität geht, dann sollte man ein solches Konzept noch einmal überdenken - oder zumindest mehr Zeit in den Soundcheck investieren.