Einen fulminanten Auftritt legte Little Steven im Wizemann hin. Foto: oh Quelle: Unbekannt

Von Ingo Weiß

Stuttgart - Steven Van Zandt kennt man vielleicht aus seinen Tagen bei der US-amerikanischen Band „Southside Johnny & the Asbury Jukes“. Eher schon als Schauspieler, unter anderem aus Mafia-Serien wie „Die Sopranos“ und „Lilyhammer“. Ganz sicher aber als Sidekick von Bruce Springsteen, als Gitarrist der legendären E Street Band. Aber auch solo machte er unter seinem Künstlernamen Little Steven steile Karriere. Erstmals seit 25 Jahren ist dieser großartige Musiker wieder mit seiner Band The Disciples of Soul auf Tour und machte dabei Halt im nahezu ausverkauften Stuttgarter Wizemann. Der Bühnenaufbau ließ bereits Großes erahnen. Wort- und grußlos, mit „Even The Losers“ startete der 67-Jährige sein Tribute an den Anfang Oktober verstorbenen Tom Petty. Gleich darauf folgte „Soulfire“ in einer mitreißenden Version. Das gleichnamige siebte Album ist Van Zandts erste Solo-Platte seit 18 Jahren und seine Rückkehr zu seinen Rock- und Soul-Wurzeln. Auch wenn der Auftakt unter einem miserablen Sound litt, deutete sich an: Hier gibt es heute ganz großes Kino. Riesengroß auch seine Begleitband, die kaum auf die zu niedrige Wizemann-Bühne passte: 14 exzellente Musiker, darunter ein fantastisches, von Springsteen geliehenes Bläserquintett und drei formidable Backgroundsängerinnen, die auch ihre GoGo-Tanzqualitäten sehr dynamisch unter Beweis stellten.

Anfänglich im langen schwarzen Mantel und das obligatorische Bandana tragend, nahm Little Steven die Fans mit auf eine unter die Haut gehende musikalische Zeitreise. „I‘m Coming Back“ von Southside Johnnys unwahrscheinlich gutem Comeback-Album „Better Days“ (1991) war der Ausgangspunkt. Bereits dieser Song zog mit seiner typischen Springsteen-Hymnik in den Bann. Nächster Halt: Chicago-Blues. Das Etta James-Cover „The Blues is my Business“ wurde allerdings dreist gebrochen und mit brillanten Solis aufgebrochen. Weitere Stationen: Beispielsweise Doo Wop im Fifties-Sound („The City weeps tonight“), jedoch von Van Zandt schlecht gesungen, und ein Schlenker in Richtung Blaxploitation. James Browns „Down and out in New York City“, das direkt aus dem schwülen New York von 1973 emporgestiegen schien, reüssierte mit einem wundervollen funky Groove.

Little Steven brannte ein bläsergetriebenes Feuerwerk ab, das mit enormer Stilbreite betörte. Rock, Soul, Rhythm‘n Blues, Funk, Jazz - die Melange kannte keine Grenzen. Sogar mit wunderbarem Reggae und Ska ließ der Mann aus Massachusetts beim Dreier-Medley „Solidarity“, „Leonard Peltier“ und „I‘m a Patriot“ aufhorchen.

Viele Aspekte seiner Karriere streifte Van Zandt bei seinem außergewöhnlichen Konzert, das fast einer Geschichtsstunde in Sachen Rock und Soul glich. Nicht nur, weil Little Steven in viele Genres eintauchte, sondern weil er zwischen den Songs auch darüber erzählte. Der Mann ist ein wandelndes Rocklexikon. Rocksongs aus seiner Feder rundeten das Programm ab. „Angel Eyes“ oder das hart rockende „Salvation“ mit seinen gierigen, AC/DC-ähnlichen Riffs beweisen, dass Little Steven für einige der wildesten und zugleich melodischsten Rock- und Soul-Hits verantwortlich zeichnet. „Love on the wrong Side of Town“, ein alter Southside Johnny-Song aus dem Album „This Time it‘s for real“ (1977), den Little Steven gemeinsam mit Springsteen geschrieben hat, erwies sich als erster Höhepunkt. Ein zweiter Gipfel: das Cocktail Slippers-Cover „Saint Valentine‘s Day“. Das musikalische Juwel unter all den aufgereihten Perlen aber war „Standing in the Line of Fire“.

Zwei Zugaben leistete sich die Band. Das von Van Zandt geschriebene „I don’t want to go home“ von 1976 sollte zu Southside Johnnys Erkennungslied werden. Und mit „Out of Darkness“ von seinem Album „Voice of America“ (1984) beendete er das mitreißende Gastspiel fast programmatisch.