Sarah Brooks in „Girl on the third Floor“, einem der zahlreichen Horrorthriller beim Fantasy-Filmfest. Foto: Andy Goodwin - Andy Goodwin

Ab Donnerstag nächster Woche gastiert die 33. Ausgabe des Fantasy-Filmfests in Stuttgart. Die Schau widmet sich dem Nischen- und Genrekino. Mit Erfolg, wie der Kurator Artur Brzozowski meint.

StuttgartSarah kann nicht mehr. Vor Kurzem ist ihr Mann ermordet worden, und die Polizei von Belfast gibt sich nicht gerade Mühe, den Täter zu finden. Weil Sarah sich und ihre zwei Kinder nun alleine durchbringen muss, wird das Geld knapp. Ihre Mom liegt ihr mit Vorwürfen in den Ohren, wie sie nur diesen Verlierer von Mann habe heiraten können, der jetzt unter der Erde liegt. Es heißt, er habe sich mit Dealern herumgetrieben. Doch Sarah glaubt nicht, dass da etwas dran ist. Als eines Nachts der Kleinkriminelle Tito bei ihr einbricht und Sarah nötigt, seinen Drogenvorrat in ihrer Wohnung zu verstecken, ist das Maß voll. „A good woman is hard to find“ heißt der knallharte, hervorragend besetzte Sozialthriller von Abner Pastoll. Besonders Sarah Bolger überzeugt in der Rolle einer ausgelaugten Witwe, die sich mit extremen Mitteln gegen Trauer, Armut und Gewalt aufbäumt. Wann dieser starke Film regulär in den deutschen Kinos anlaufen wird, ist unklar. Vielleicht gehört er auch zu den Werken, die irgendwann klammheimlich auf DVD und Blu-Ray erscheinen, weil sie aufgrund des harschen Sujets oder des hierzulande noch unbekannten Regisseurs ein zu großes finanzielles Risiko für Verleiher darstellen.

Für solche Fälle hat das dreiköpfige Kuratoren-Team des Fantasy-Filmfests nicht nur ein Herz, sondern auch eine große Leinwand. Seit 1987 gibt es das Festival für den besonderen Nischen- und Genrefilm bereits. Zunächst in Hamburg gegründet, kamen in den Folgejahren weitere Großstädte hinzu. Das Stuttgarter Metropol-Kino ist seit Langem fester Spielort, auch für die Fantasy-Filmfest-Nights, einer Mini-Ausgabe des Festivals an zwei Wochenenden im Jahr. Artur Brzozowski, Kurator im Team mit Rainer Stefan und Frederike Dellert, hat eine einfache Erklärung für den Erfolg. „Wir geben den Zuschauern die Möglichkeit, neue Filme zu entdecken, von denen sie noch nie etwas gehört haben. Das spielt sicher eine große Rolle. Auch die Ehrlichkeit bei der Filmauswahl ist wichtig, die Zuschauer vertrauen uns blind. Seit Jahren sind deswegen unsere Dauerkarten gefragt, bevor wir überhaupt das Programm veröffentlicht haben.“

Ausgerechnet in Zeiten der von Branchenkennern beschworenen Kinokrise versucht sich das Fantasy-Filmfest mit nicht gerade marktgängigen Werken wie dem kantigen Drama „Mope“ zu profilieren. Lucas Heynes Regiedebüt läuft als Deutschlandpremiere im „Fresh Blood“-Wettbewerb. Heyne rekonstruiert darin einen echten Kriminalfall im Pornofilmer-Milieu von Los Angeles im Jahr 2008 und schildert den Werdegang der Freunde Steve Driver und Tom Long, die als Pornodarsteller groß herauskommen wollen, aber von einem Produzenten brutal ausgebeutet werden. Besonders der psychisch labile Steve leidet unter den Demütigungen und begeht schließlich einen Mord. Heynes Thema ist ungeheuer brisant; in einigen Momenten entwickelt der Film aufgrund seiner rohen, semidokumentarischen Ästhetik enorme Glaubwürdigkeit. Irritierend ist aber, wie Heyne zwischen Comedy und Drama schwankt und seine Figuren streckenweise der Lächerlichkeit preisgibt.

„Ich habe den Eindruck, dass besonders Filmemacher mit kleineren Budgets sich ausprobieren und mutiger werden“, sagt Artur Brzozowski und lobt etwa den Erstling „Why don’t you just die“ des russischen Filmemachers Kirill Sokolov – eine Slapstick-Farce über zwei Männer, die sich in einem Apartment gegenseitig an die Gurgel gehen. „Auf den Streamingplattformen sind solche Filme nicht zu sehen. Dort müssen Filme für jedermann tauglich sein, ohne Ecken und Kanten. Das Fantasy-Filmfest liebt aber genau das Gegenprogramm!“, bekräftigt Brzozowski sein Engagement für die Nische. Weil in den letzten Jahren das Programm in Stuttgart von zehn auf fünf Tage abgespeckt worden war und auch nur noch ein Film pro Zeitschiene lief, munkelten Fans, dass es um die Veranstaltung nicht mehr ganz so gut bestellt sein könnte. „Wir hatten überlegt, unser Festival zu zentralisieren und ein paar Städte auszubauen, dafür aber zwei zu verkleinern. Die Idee haben wir aber verabschiedet und sind wieder auf die volle Anzahl gekommen“, erklärt Brzozowski. Deswegen läuft es auch in Stuttgart wieder zehn Tage.

Wer nun meint, das Festival zeige nur Abseitiges für besonders ausgebuffte Fans des Thrillers und Horrorfilms, irrt. Denn neben solch spannenden Projekten wie „Dachra“, dem ersten Horrorstück aus Tunesien, gibt es massentauglichere Arbeiten wie Mary Harrons Psychothriller „Charlie says“ über den Alltag in der Kommune von Charles Manson oder Anthony Maras Debüt „Hotel Mumbai“ über einen IS-Terroranschlag, besetzt mit Hollywoodstars wie Armie Hammer.

„In diesem Jahr ist mir aufgefallen, dass sich besonders viele Filmemacher mit dem Thema Verlust und Besitz auseinandersetzen, aber auch mit komplizierten Familienverhältnissen“, benennt Artur Brzozowski einen Themenschwerpunkt. Über mangelnde Vielfalt wird sich das Publikum jedenfalls nicht beklagen können. „Wir haben den Spagat zwischen Kunst und Unterhaltung wieder ganz gut hinbekommen“, findet Brzozowski. Man darf gespannt sein.

33. Fantasy-Filmfest

Festival: Das Fantasy-Filmfest findet vom 12. bis zum 22. September im Metropol-Kino statt. An zehn Tagen gibt es 50 Werke aus der ganzen Welt zu sehen, der Schwerpunkt liegt auf Science-Fiction, Thrillern und Horror.

Eröffnung: Am Donnerstagabend um 19.30 Uhr geht es mit „The Lodge“ von Veronika Franz und Severin Fiala los. Das österreichische Duo hatte 2015 mit „Ich seh ich seh“ Aufsehen erregt. Abschlussfilm ist der Streifen „Scary Stories to Tell in the Dark“ von André Øvredal.

Debütreihe: Im Fresh-Blood-Wettbewerb werden Debüts und zweite Projekte von Nachwuchsfilmemachern gezeigt. Die Sieger werden direkt vom Publikum gekürt, wie auch beim Kurzfilmwettbewerb „Get Shorty“.

Programm: Das gesamte Angebot unter www.fantasyfilmfest.com.