Samuel Beckett Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Dietholf Zerweck

Marbach - „When it’s coming up to Xmas I get the German fever“, schreibt Samuel Beckett 1932 in einem Brief an den irischen Dichter Thomas McGreevy. Seine Begeisterung für Deutschland und seine Kultur, befeuert durch Aufenthalte bei seiner Cousine und Geliebten Peggy Sinclair in Kassel, richtet sich besonders auf die deutsche Sprache und Bildende Kunst, und so kommt er 1936/37 zu einer ausgedehnten Reise nach Deutschland, die der 30-jährige Schriftsteller, der gerade mit großer Mühe seinen zweiten Roman „Murphy“ zu Ende gebracht hat, in seinen „German Diaries“ festhält.

Diese Tagebücher in DIN A 3 Format sind ein Herzstück der Sonderausstellung des Deutschen Literaturarchivs in Marbach, die momentan im Literaturmuseum der Moderne gezeigt wird. „German Fever - Beckett in Deutschland“ ist in Kooperation mit der britischen University of Reading und ihrer Beckett Collection entstanden, deren Direktor Mark Nixon die Ausstellung zusammen mit Ellen Strittmatter kuratiert. Ein wesentlicher Teil der 150 Exponate stammt aus dem in Marbach vorhandenen Suhrkamp-Archiv, und so gilt auch ein Kapitel dem besonderen Verhältnis des Autors zum Suhrkamp-Verlag.

In fünf Vitrinenwänden werden die Beziehungen Becketts zu Deutschland und dessen Rezeption hierzulande präsentiert. Schon vor seinen „German Diaries“ hält Beckett in Notizheften deutsche Wörter und Redewendungen fest, neben einem Goebbels-Zitat finden sich Ausdrücke wie „Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei“ oder „Er hat Grütze im Kopf“.

Sein Interesse an deutscher Literatur ist groß, außer Goethe und Schiller gilt sein besonderes Interesse Hölderlin und Theodor Fontane, in der Philosophie schätzt er Schopenhauer. Neben lyrischen Versuchen in deutscher Sprache findet sich auch Becketts erste Übersetzung eines eigenen Gedichts („Cascando“) auf Deutsch in der Ausstellung: „Besser Missgeburt als keine? / Kaum bist du fort, so wird / Die Zeit zu Blei. / Dann immer zu früh / Beginnen sie zu draggen, / Blindlings mit den Haken / Am Boden ihrer Not umher“ Motive seiner späteren Stücke scheinen hier schon auf, doch in den „German Diaries“ notiert Beckett vor allem seine zahlreichen Besuche in Museen und Privatsammlungen, wo er auf der Suche nach der von den Nazis diffamierten „entarteten Kunst“ ist. Dabei kommt er auch in die Hamburger Galerie des Sammlers Hildebrand Gurlitt und studiert dort die Werke von Beckmann, Nolde und Otto Dix. Auf die politische Propaganda in Nazi-Deutschland reagiert er mit der Eintragung: „Bei den Ausdrücken Historische Notwendigkeit und Deutsches Schicksal kommt mir das Kotzen.“ Seine Ablehnung jeglicher auf Normierung zielenden Ideologie führt den Schriftsteller auch immer mehr zu einer Poetik des Fragments, der Reduktion und des Scheiterns.

Als Beckett 1953 in Paris sein Theaterstück „En attendant Godot“ auf die Bühne bringt, trifft er auf den deutschen Übersetzer Elmar Tophoven: Daraus entwickelt sich lebenslange Freundschaft und ein intensiver Kontakt zum Suhrkamp-Verlag, der seine Stücke auch in einer Ausgabe auf Französisch, Englisch und Deutsch veröffentlicht. Wie bedeutend der Einfluss Becketts auf die deutschsprachige Literatur wird, lässt sich an Autoren wie Eich und Enzensberger, Thomas Bernhard oder Büchner-Preisträger Wilhelm Genazino nachweisen.

Nachdem Beckett 1969 den Literatur-Nobelpreis erhalten hat, verstärkt sich auch die schon 1966 mit dem Fernsehspiel „He Joe“ begonnene Zusammenarbeit mit dem Süddeutschen Rundfunk. Mit seinem Interesse an Visualität und Performance entwickelt der Autor in sieben Projekten mit dem Sender eine Art Guckloch-Ästhetik, in der die Stücke im Text radikal reduziert sind und Klang, Mimik und Bewegung genauestens festgelegt sind. Zu „Warten auf Godot“ hat er einmal angemerkt: „Es ist ein Spiel, alles ist ein Spiel. Wenn alle vier auf dem Boden liegen, kann das nicht naturalistisch behandelt werden. Man muss das artifiziell, ballettartig machen. Sonst wird alles nur Nachahmung von Wirklichkeit. Es sollte klar und durchsichtig werden, nicht trocken. Es ist ein Spiel, um zu überleben.“

Info: Die Ausstellung „German Fever - Beckett in Deutschland“ ist im Humboldt-Saal des Deutschen Literaturarchivs in Marbach zu sehen.