In Ostfildern zu sehen: „Dachfenster“ von Andrea Eitel. Foto: Eberle Quelle: Unbekannt

Von Elke Eberle

Ostfildern - Räume, in denen sich Städte, Gebäude, Landschaften, Kulturen und Menschen spiegeln, konzentriert und verdichtet zu Stimmungsräumen und mittendrin zwei menschliche Figuren, riesenhaft und zerbrechlich. In der Städtischen Galerie Ostfildern sind derzeit in der Ausstellung „Die Luft ist rein“ Arbeiten von Andrea Eitel zu sehen und eine Bodeninstallation von Max Streicher.

Ein Arm und ein Bein recken sich langsam empor, strecken sich, fallen zusammen, in einem endlosen Auf und Ab, im Rhythmus eines ruhigen Atmens, jedoch ohne eigentliches Leben. Zwei Figuren, “Waking Giants“ - wache / wachende Giganten liegen nebeneinander, lang dahingestreckt, einander zugeneigt, auf dem Boden der Galerie. Jede misst fünf Meter, allein ein Fuß ist so groß wie der Rumpf eines Menschen. Zusammengenäht hat sie Max Streicher bereits vor mehr als zehn Jahren aus vielen Teilen Nylongewebe, elektrische Gebläse sorgen für Bewegung. Die überdimensionierten Geschöpfe liegen auf immer am Boden, dahingestreckt wie Landschaften voller Berge und Täler, die Nähte sind Straßen, Höhenlinien und Grenzen, alles ist riesig und fragil zugleich. Max Streicher zählt zu den wichtigsten kanadischen Bildhauern und Installationskünstlern. Er agiert auf internationalem Parkett. Seine Familie stammt ursprünglich aus Kirchheim. Alles bleibt in dieser Installation in einem eigenartigen Schwebezustand. Wer sind diese Riesen? Sie erinnern an Kafkas Käfer ebenso wie an schwerelos schwebende Astronauten. Sie geben keine Antworten, nichts ist gewiss, sie bleiben fremd und sind zugleich Projektionsflächen für Ideen und für Erfahrungen mit Kunstmenschen.

Distanz und Nähe sind auch zentrale Themen in den Arbeiten von Andrea Eitel. 54 Jahre war sie alt, als sie mit dem Malen begann. Um die Jahrtausendwende tauchte sie in der Kunstszene erstmals auf und sie hat sich seitdem zu einer der bekanntesten gegenständlichen Malerinnen im württembergischen Raum entwickelt. Einige ihrer frühen Arbeiten sind in der kleinen Galerie zu sehen, komplexe Feuerwerke aus der Serie „Zündel“. Sie zeigen schon, was Eitel mehr und mehr verfeinert: Ineinander verwobene Ebenen. Sie überlagert und verschiebt, zeigt einen Ausschnitt der Wirklichkeit, der irritiert, der bekannt ist und fremd zugleich. Einen Meter auf einen Meter groß ist die Impression „Im Stadthaus Ostfildern“ aus dem Jahr 2016. Es ist ein Bild mit Wiedererkennungseffekt, kein Zweifel, die Wahl des Ausschnittes öffnet den Blick für das Charakteristische und Besondere, für das Allgemeine und das Typische. Die Bilder stellen die Frage, wie sich der Betrachter positioniert, aber auch, wo der Mensch steht, ob er sich im Fremden, im Kunstlicht, in der Neutralität, im Kargen, in der Anonymität finden kann. Ob er sich behaupten muss oder eins werden kann mit sich und seinem Umfeld. Während einer Autofahrt überlagern und durchdringen sich beim Blick durchs Fenster in den „Rückspiegel“ - so der Titel der Arbeit von 2006 - Lichter und Konturen, Innen und Außen, Vorne und Hinten, Licht und Dunkel. In der Arbeit „Gitter“ von 2012 betrachtet der aktive, reale Betrachter mehrere im Dunkeln stehende Beobachter eines in den Anblick eines Gegenstandes versunkenen Betrachters. Irgendwo dazwischen sind Gitter, aber wo ist drinnen und wo draußen, wo Einsamkeit und wo Zugehörigkeit? Manchmal finden sich in den Arbeiten Anklänge an große Werke der Kunstgeschichte, aber sie sind nicht wichtig, um die Arbeiten zu verstehen. Mal sind die Arbeiten harmonisch komponiert in Farbe und Aufbau, mal dominiert eine eher düstere Stimmung. Eitel setzt das Dunkel mittels Licht in Szene. Grandios in der Arbeit „Mann in Schwarz“ von 2010, ein Mensch wird eins mit dem Dunkel, vielleicht um es zu überwinden. Und die Luft ist bereitet, klar und rein, um nachzudenken über Kunst, über sich und das Leben.

Bis 21. März, Öffnungszeiten: dienstags und donnerstags von 15 bis 19 Uhr, samstags von 10 bis 12 Uhr und sonntags von 15 bis 18 Uhr. Städtische Galerie Ostfildern, Gerhard-Koch-Straße 1 in Ostfildern.