Lässt sich nicht aus dem Konzept bringen - auch nicht von falsch ­platziertem Applaus: Anne-Sophie Mutter. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Rainer Kellmayer

Stuttgart - Es war ein Fest der Geigenkunst: Wie Anne-Sophie Mutter einer Bach-Solosonate Kontur gab, mit welcher Perfektion sie Werke von Krzysztof Penderecki spielte, und welchen Charme sie in ihre Brahms-Interpretationen legte, brachte das Publikum im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle zu ungläubigem Staunen, das sich in Ovationen für die weltweit gefragte Geigerin löste. Bachs Partiten umgibt mit ihrer Verschmelzung von strahlender Vokalität und raffinierter Kontrapunktik eine Aura des Absoluten und Vollendeten. Wenn dazu, wie in der Partita Nr. 2 d-Moll, noch eine Interpretin kommt, für die technische Probleme Fremdworte sind, die alle Strukturen bis in die Tiefe hinein durchdringt, entstehen die seltenen Momente musikalischer Perfektion.

Anne-Sophie Mutter spielte wie in Trance. Aus dieser wurde sie nur kurz gerissen, als das Publikum nach der bravourös gespielten Giga dazwischen applaudierte, was die Solistin mit einem trockenen Kommentar quittierte. Doch aus dem Konzept ließ sie sich nicht bringen: Die abschließende Ciaconna wurde zu einem Glanzlicht, mit klar gestuften dynamischen Terrassen, blitzsauberem Laufwerk und einem übergeordneten Spannungsbogen. Zuvor zeigte Mutter ihre frappierende Geigenkunst in der absolut stimmig angelegten Allemanda, einer dahin eilenden, makellos gespielten Corrente und der Sarabande, die mit lupenrein gespielter Mehrstimmigkeit beglückte: Jeder Ton hatte eine eigene Färbung; Technik, facettenreiche Tongebung und interpretatorische Intention ergänzten sich ideal.

Hommage an Krzysztof Penderecki

Auf höchstem Niveau spielte Mutter auch zwei ihr gewidmete Werke des langjährigen musikalischen Freundes Krzysztof Penderecki - eine Hommage an den berühmten polnischen Komponisten, der im nächsten Jahr seinen 85. Geburtstag feiert. Im Duo concertante fand Mutter zu homogener Partnerschaft mit dem Kontrabassisten Roman Patkoló, einst Stipendiat ihrer Stiftung, jetzt Professor an der Hochschule für Musik in Basel. Kongenial abgestimmt wurden die verschiedenen Stimmungen von expressiven Rezitativen bis hin zu wild huschenden Scherzando-Passagen eingefangen - technisch gekonnt und geschmackvoll phrasiert. In Pendereckis zweiter Violinsonate war die Interpretation getragen vom blinden Verständnis, das sich über Jahrzehnte der Zusammenarbeit zwischen Mutter und dem Pianisten Lambert Orkis entwickelt hat. Mutter bewältigte den mit horrenden Schwierigkeiten gespickten Solopart souverän, setzte delikate Pizzicati neben zupackende Saitenritte und traf den lyrischen Grundton des Notturnos im Kern.

Zwei Brahms-Werke umrahmten das Programm. Nach energiegeladenem Start ins Scherzo der „F-A-E-Sonate“ ließ Mutter in den ruhigeren Passagen ihre Stradivari singen und nahm die Dynamik gelegentlich bis an die Grenze des Hörbaren zurück. Ebenso geschmackvoll servierte sie über perfekter Klaviergrundierung eine Auswahl aus den Ungarischen Tänzen. Mutter und Orkis brachten eine gehörige Portion Schmelz ein, die Geigerin färbte mit süffigem Ton, und gemeinsam gab man den Tänzen mit geschmackvoller Agogik eigenständiges Kolorit. Das Publikum im Beethovensaal ließ die Akteure erst nach vier Zugaben von der Bühne.