„I will always love you“ - mit dem berühmten Song trauert die Sängerin Rachel Marron (Aisata Blackman) ihrem Bodyguard nach. Foto: Stage Entertainment / Jan Potente Quelle: Unbekannt

Von Angela Reinhardt

Stuttgart -Jetzt sind wir also bei der Konfektionsware angelangt in den Stuttgarter Musicaltheatern. „Bodyguard“ ist eine nette, ganz unterhaltsame Show, aber wenn nicht gerade einer der berühmten Filmsongs erklingt, tändelt der Abend eher fad vor sich hin. Zwar werden Tänzer aus dem Boden geschossen und eine blaue Nebelwand hüllt auf geradezu mystische Weise die Szene vom Filmplakat ein, wo der Titelheld die berühmte Sängerin schützend auf seinen Armen hinausträgt; ansonsten aber bietet das neue Möhringer Musical, das im Grunde nur ein Schauspiel mit Whitney-Houston-Songs ist, so gar nichts Besonderes.

2012 feierte das Musical nach der berühmten Vorlage in London Premiere, 2015 kam es nach Köln, wo es für immerhin 640 Vorstellungen lief; an den Broadway hat es „Bodyguard“ nie geschafft. Genau wie im Film geht es um den berühmten Popstar Rachel Marron, die von einem Stalker verfolgt wird und deshalb von ihrem Management den Bodyguard Frank Farmer aufs Auge gedrückt kriegt, in den sie sich nach anfänglichem Ankeifen heftig verliebt. Für weitere Verwicklungen sorgt ihre ebenfalls talentierte, eifersüchtige Schwester Nicki. Das Buch zum Musical stammt vom amerikanischen Schauspielautor Alexander Dinelaris; dass er am Oscar-prämierten Drehbuch zu „Birdman“ beteiligt war, spiegelt sich leider in den einfachen, funktionalen Musicaldialogen kaum wider. Manches wurde gegenüber dem Film geändert, so gibt es hier nicht zwei fiese Typen, die hinter Rachel her sind, sondern nur einen einzigen Stalker: Der fast durchgehend stumme Marc Früh spielt ihn mit so viel Psychopathen-Potenzial, dass man sich zwischenzeitlich wünscht, das Musical würde zu ihm abbiegen.

Meistverkaufter Soundtrack

Zu den hochberühmten Songs aus dem Film - bis heute ist der Soundtrack der meistverkaufte der Welt - kommen noch ein paar weitere Whitney-Houston-Knaller wie „One moment in time“. Sie erklingen fast immer als Show in der Show: Wir sehen eine Konzertbühne, den Probensaal oder Rachel beim Komponieren am Flügel. Nur ganz selten singen sie oder ihre Schwester (denn andere Gesangsrollen gibt es gar nicht) gewissermaßen direkt aus der Seele, wie wir es beim Musical eigentlich gewöhnt sind. Raffiniert lässt das Buch dabei den Eindruck entstehen, dass Rachel ihre Songs direkt aus dem Leben entwickelt, also sozusagen ihre Gefühle in die Musik überträgt. Die neunköpfige Live-Band ist unsichtbar, ihre Existenz wird am Schluss per Videozuspielung bewiesen.

Im November wird die Filmvorlage 25 Jahre alt, anders als Shows wie „Mamma Mia!“ aber sieht dieses Musical keinen Grund, diesen zeitlichen Abstand nostalgisch aufzubereiten. Die Kostüme bleiben im Vagen und huldigen nicht etwa der damaligen Mode, den exzentrisch-glitzernden Show-Outfits und fantasievollen Kopfputzen. Mit einer Prise Hip-Hop sucht die ansonsten völlig fantasielose Choreografie von Karen Bruce Anschluss an die heutige Zeit. Hier hat der kleine Fabian, einer der authentischsten Schauspieler des Abends, seinen großen Moment als Rachels Sohn Fletcher, wenn er seine coolen Moves auf den Boden zwirbelt.

Wo „Rocky“, ebenfalls nach einem berühmten Film entstanden, so viel Wert auf die liebevolle Reminiszenz an das Philadelphia der 70er Jahre legte, da sieht hier alles ein bisschen nullachtfuffzehn nach Showbiz aus - Rachels Villa, ihre Auftritte, ihre gar nicht so dollen Abendkleider. Beeindruckend sind Ausstatter Tim Hatley die Verwandlungen gelungen, bei denen sich eine Art Eiserner Vorhang fast wie eine Filmblende öffnet und schließt, um praktisch übergangslos immer neue Schauplätze preiszugeben. In der Inszenierung der britischen Schauspiel- und Filmregisseurin Thea Sharrock bleibt manches zweifelhaft, etwa wenn bei Rachels Konzertauftritt zehn Hansel um sie herum eine bedrohliche Menge darstellen sollen oder wenn in der Blockhütte, wo man sich vor dem irren Stalker versteckt, offensichtlich niemand die Türen abschließt.

Nachdruck in der Stimme

Keiner erwartet von Hauptdarstellerin Aisata Blackman, dass sie wie Whitney Houston klingt, sie hat definitiv den Wumm und Nachdruck für die Songs in ihrer weiten, umfangreichen Stimme. Trotzdem staunt man, wenn Zodwa Selele als ihre Schwester das schönere Piano auspackt und die Linien feiner ziseliert. Auch als Darstellerin bleibt Blackman ein wenig herb und unpersönlich, spielt den Popstar gerade heraus und so ganz ohne Geheimnis. Als Titelheld ist Jadran Malkovich ein harter Knochen, das Hölzerne passt in diesem Fall perfekt zur Rolle und er hat mit seinem wirklich gruselig gesungenen Karaoke-Auftritt eine sehr lustige Szene. „Bodyguard“ ist ein romantischer Thriller, da sollte schon ordentlich Spannung zwischen den beiden Hauptdarstellern knistern. Statt sorgfältig choreografierter Sehnsuchtsblicke oder einer sinnlichen Körpersprache aber geht man hier ins Breitwandformat, mit großen Projektionen muss das filmische Element immer wieder helfen, die Handlung zu erklären. Das durchweg plumpe, schlechte Schauspiel mag niemand wundern, gibt es doch ausweislich der Liste der Mitwirkenden keinen deutschsprachigen Regisseur oder Co-Regisseur, der auf die Dialoge achten könnte.

Müssen es denn unbedingt die berühmten Filmtitel sein, mit denen man die Zuschauer einfängt, liest denn kein Musicalautor mehr Bücher? „Bodyguard“ flutscht ganz angenehm durch, aber das Stück berührt nicht, schon gar nicht in dieser wenig sorgfältigen Präsentation. Gäbe es nicht die nach wie vor entzückende „Mary Poppins“ auf der anderen Straßenseite, man müsste sich in Stuttgart zur puren Musical-Abspielstation degradiert fühlen.

„Bodyguard“ läuft täglich von Dienstag bis Sonntag, Samstag und Sonntag auch nachmittags. Karten gibt es unter Tel. 01805 / 44 44 oder unter www.musicals.de