Chris Geisler liebt musikalische Experimente. Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Grenzen zwischen Klassik und Jazz überwindet der Pianist Chris Geisler mit dem Bassisten Kurt Holzkämper in seinem neuen Album „Transient“.

Kreis EsslingenMusikalische Grenzgänge reizen den Jazz-Pianisten Chris Geisler. In seiner neuen CD „Transient“, die er gemeinsam mit dem Bassisten Kurt Holzkämper eingespielt hat, interpretiert er traditionelle und klassische Stücke auf dem Hintergrund seiner freien Jazz-Improvisationen neu. „Manchmal erkennt man das Original kaum“, sagt der Künstler lachend. Dann spielt er auf dem Flügel in seinem Arbeitszimmer des Wohnhauses in Unterensingen ein paar Takte des Weihnachtsliedes „Joseph, lieber Joseph mein“ an. Zunächst klingt das wie ein mitreißendes Jazz-Stück. Als das Original ist das Lied kaum zu erkennen. Um den Kontrast zu zeigen, klimpert Geisler dann die Melodie.

Damit bringt der Musiker seine Methode griffig auf den Punkt. Geisler, der in der Stuttgarter Jazzszene seit Jahren erfolgreich unterwegs ist, will seine Zuhörer verblüffen. Auf der CD interpretiert er unter anderem Claude Debussys „Arabesque Nr 1“ und Maurice Ravels „Pavane pour une infante défunte“ neu und ungewöhnlich. Den Namen Pianotopia hat das Duo wohl auch deshalb gewählt, weil Geisler und Holzkämper mit ihrer Musik Horizonte öffnen wollen. Mal fließen ihre Bearbeitungen der klassischen Musik ruhig dahin, mal steigern der Bassist und der Pianist die Spannung ins Unermeßliche. Zwei eigene Kompositionen sind ebenfalls auf der CD zu finden. Der Ansatz des Duos macht Lust, Unerwartetes in der Klassik zu entdecken, Gewohntes neu zu hören, anders zu erleben.

Schon in frühester Jugend hat Geisler mit dem Klavierspiel begonnen. Bei Harald Neuwirth an der Musikuniversität Graz hat der leidenschaftliche Pianist dann studiert und seine Diplome in den Bereichen Jazzkonzert und -lehre absolviert. Da entdeckte er seine Faszination für grenzüberschreitende Projekte mit anderen Kunstgattungen. Mit dem österreichischen Schriftsteller H.C. Artmann hat der Künstler die Reihe „Lyrik und Jazz“ verwirklicht. Der Autor und Lyriker ist bekannt für seine Poesie, die mit Elementen von Surrealismus und Dada spielt. Solcher Umgang mit der Sprache hat Geisler immer fasziniert.

Licht macht Klänge sichtbar

„Musik mit anderen Kunstformen zu verbinden, das reizt mich“, sagt Geisler. Faszinierend findet er die Projekte des „Visual Piano“ (frei übersetzt: sichtbares Klavier) von Kurt Laurenz Theinert. Mit seinem computergesteuerten Instrument macht der innovative Künstler Klangwelten und Rhythmen sichtbar. „Das öffnet mir als Musiker ganz neue Perspektiven“, schwärmt Geisler. Er zückt sein Mobiltelefon, zeigt einige Aufnahmen von den gemeinsamen Auftritten in Berlin und im Theaterhaus in Stuttgart. Die Lichtstrahlen und -kegel sehen aus wie riesige, farbige Bauten. Theinert arbeitet auch mit Schwarz-Weiß-Tönen, rückt damit die Strukturen in den Blick.

Schnittstellen mit anderen Kunstformen sucht Chris Geisler nicht nur in den Projekten, die er gemeinsam mit dem Bassisten Kurt Holzkämper realisiert. „Eigentlich haben wir als Trio angefangen“, sagt der Jazzpianist. Mit dem Schlagzeuger Bernd Settelmeyer verbindet ihn eine langjährige Freundschaft. „Wir treten immer mal wieder im Trio auf“, erzählt Geisler. Das Spiel im Duo findet der Jazzpianist aber oft direkter, da entspinnt sich aus seiner Sicht ein richtiger Dialog. In seinem Probenraum im Dachgeschoss seines Wohnhauses steht auch ein Schlagzeug. „Ich liebe es, beim Spiel die Perspektiven zu wechseln.“ Dann nimmt er die Trommelstäbe zur Hand, geht ganz im Rhythmus auf.

Mehr als Dissonanzen

Obwohl Geislers Terminkalender prall gefüllt mit Auftritten ist, liegt dem studierten Jazz-Musiker die Lehre sehr am Herzen. Als stellvertretender Leiter der Musikschule Waldenbuch und als Dozent für Klavier an der Musikschule Plochingen will er die junge Generation für den Jazz begeistern. Gelingt das den Musikpädagogen mit der ruhigen, souveränen Art denn auch? „Erst mal denken gerade junge Leute, dass Jazz nur mit Dissonanzen zu tun habe.“ Er vermittelt seinen Schülerinnen und Schülern jedoch, dass es um etwas ganz anderes geht. In Waldenbuch stehen zwei Flügel im Probenraum. Da setzt sich Geisler an den einen und spielt nach Blatt, während die Schüler improvisieren dürfen. „Da ist die Begeisterung schnell geweckt“, sagt er lachend.

Obwohl derzeit Sommerferien sind, denkt Geisler nicht an Urlaub. Er bereitet sich auf ein Projekt vor, das ihm ganz besonders am Herzen liegt. Der Jazzclub Karlsruhe kuratiert im Frühjahr 2020 ein Tribute-Konzert für den großen Jazzgitarristen Pat Metheny. Aus seinem ganz persönlichen Bezug zu dessen Musik macht Geisler keinen Hehl: „Er hat meine Begeisterung für den Jazz geweckt.“

Im Frühjahr kommenden Jahres wird Geisler auch wieder im Treffpunkt Stadtmitte zu Gast sein. Mit der Leiterin Heike Hauss hat er schon mehrere Konzerte realisiert. „Der Fazioli-Flügel ist wunderbar“, lobt der Jazz-Profi die Ausstattung des Konzertsaals. Das spiel auf so hochwertigen Instrumenten reizt den Pianisten. Da lobt er die Stadtverwaltung, die so großartige Auftrittsmöglichkeiten biete. Auch über die Akustik in der Stadthalle spricht er nur positiv. Der Wahl-Unterensinger genießt es sehr, bei den Auftritten in Wendlingen auch mal ein anderes Publikum für den Jazz erreichen zu können, als das in der fachkundigen Stuttgarter Szene möglich ist.

Bei der Musiknacht in Weilheim an der Teck am Samstag, 14. September, tritt Chris Geisler gemeinsam mit der Sängerin Ruth Sabadino im Café Wesleys auf. Die beiden langjährigen Weggefährten spielen ab 19.30 Uhr in der Hischstraße 1 vor dem Durchgangspublikum der Veranstaltung. Solo ist Chris Geisler am Samstag, 5. Oktober, in Stuttgart in der Steinway-Galerie zu erleben. Das Konzert in der Silberburgstraße 143 beginnt um 12 Uhr.